Der Sommer des glücklichen Narren
Ich bin manchmal etwas jähzornig. Und als sie mir dann sagte, sie habe endgültig genug von mir, sie wolle zu Ihnen zurück, Sie seien sowieso der einzige Mann, den sie liebe, da verlor ich eben die Beherrschung. Wir hatten keine schöne Szene, wirklich nicht. Wie würden Sie reagieren, wenn eine Frau Ihnen mitteilt, Sie seien der letzte Dreck und ein anderer derjenige, den sie einzig und allein liebe und schätze.«
»Das würde mich natürlich ärgern.«
»Sehen Sie. Hinterher tat es mir leid. Aber da war sie schon weg.«
»Aha. Und dann?«
»Was und dann?«
»Ich meine, was taten Sie dann, als sie weg war?«
»Was sollte ich tun? Zunächst war ich natürlich sehr wütend, verständlich nicht? Da bemüht man sich fast ein Jahr lang, einer Frau jeden Wunsch zu erfüllen, und bildet sich ein, man wird, na ja, geliebt, nicht? Und dann bekommt man so etwas gesagt. Daß die Frau einen anderen liebt. Und dann fährt sie weg, ohne ein Wort, ohne eine Erklärung. Zu Ihnen. Plötzlich ist sie weg.«
»Sie kam nicht gleich zu mir. Zunächst fuhr sie nach Chur.«
»Nach Chur?« fragte er erstaunt.
»Sie hatte kein Geld für die ganze Reise.«
»Kein Geld?« fragte er maßlos verwundert.
Ich erzählte ihm, wie das mit Rosalinds Rückkehr vor sich gegangen war. Das brachte ihn ganz aus der Fassung.
»Ist sie nicht wie ein Kind?« fragte er gerührt. »Mein Gott, man dürfte sie gar nicht so ernst nehmen. Sie ist ein törichtes, ahnungsloses Kind. Fährt los ohne Geld. Und sitzt dann ganz allein in Chur. Wenn ich mir das vorstelle …« Er schüttelte vorwurfsvoll den Kopf und trank den vierten Steinhäger aus. Von wegen ahnungsloses Kind! Rosalind war alles andere als ein ahnungsloses Kind. Aber ich hütete mich, ihn darüber aufzuklären. Genausowenig, wie ich ihm sagen würde, daß mir daran lag, Rosalind an ihn zurückzuexpedieren. Mal sehen, wie sich die Sache weiterentwickelte.
»Sie hätte doch bloß ein Wort sagen müssen, daß sie kein Geld mehr hat.«
»Hätten Sie ihr dann welches gegeben? Zum Wegreisen, meine ich?«
Er sah mich erstaunt an. »Nein. Natürlich nicht.«
»Sehen Sie. Das konnte sie sich vermutlich denken.«
»Und Sie haben sie also dann geholt, das arme Kind?«
»Ich habe ihr Geld geschickt. Und hab' sie in München an der Bahn abgeholt.«
»Und dann?«
»Dann blieb sie eine Nacht im Hotel und kam am nächsten Tag zu mir hinaus. Und seitdem ist sie da.«
»Aha.«
»Ja.«
»Ja und … was macht sie da so?«
»Nichts Besonderes. Was sie halt früher auch gemacht hat. Sie kocht das Mittagessen, sorgt für Ordnung. So was halt.«
»Aha. Und ist sie jetzt glücklich?«
»Glücklich? Das gewiß nicht. Schließlich ist die … eh, ungeklärte Angelegenheit zwischen Ihnen nicht gerade dazu geeignet, sie glücklich zu machen.« Schwierig, so etwas auszudrücken.
»Ja, ja. Natürlich. Aber immerhin, ich dachte, sie sei jetzt glücklich, wo sie doch wieder bei Ihnen ist.«
Jetzt galt es, geschickt zu operieren.
»Herr Killinger«, sagte ich, »Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, daß zwischen Rosalind und mir alles wie früher ist. Wir sind geschieden, und daran halte ich mich. Ich bin nicht dafür, alle paar Monate die Meinung und die Frau zu wechseln. Rosalind ist von mir fortgegangen, um Sie zu heiraten. Ich mußte annehmen, daß Sie es sind, den sie liebt. Und ich bin im Gegensatz zu Ihnen auch heute noch dieser Meinung.«
»Ach?«
»Ja.«
»Meinen Sie wirklich?«
»Ich bin davon überzeugt. Rosalind hat von mir gesprochen, sie hat nett von mir gesprochen, das ist anständig von ihr. Sie hat im Zorn gesagt, daß sie mich noch liebe und zu mir zurückkehren wolle. Sie hat es gesagt, als sie entdeckt hatte, daß Sie … Pardon, daß Sie sie betrogen haben. Vermutlich hätte jede Frau in solch einer Situation auf diese Weise reagiert. Jedenfalls eine Frau mit Rosalinds Temperament. Aber es ist nicht die Wahrheit. Rosalind ist unglücklich. Sie weint viel.«
Das stimmte zwar nicht, aber es konnte nichts schaden, das zu sagen.
»Sie weint?« Er sah mich so ehrlich bestürzt an, daß er mir fast leid tat. War nicht nett, ihn anzuschwindeln. Aber ich verfolgte ja eine gute Absicht damit. Denn nun, nachdem ich ihn kannte, war ich der Meinung, daß Rosalind bei ihm in den besten Händen sein würde. Schön, sie würden vielleicht manchmal Krach haben, sie hatte Temperament, und er war überarbeitet und manchmal nervös oder jähzornig, aber er war ein netter Mann, und Rosalind
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