Der Sommer des glücklichen Narren
wissen. Ich nickte.
»Nachher muß dir schon extra mies gewesen sein. Hast an Katzenjammer?«
»Warum muß man denn einen Katzenjammer haben, wenn man ins Theater geht?« fragte ich gereizt zurück.
»Wenn einer so ein Gesicht macht wie du und rennt allein in der Nacht umeinand, kommt man halt auf die Idee.«
»Du sitzt ja hier auch allein umeinand.«
»Ja, ich. Bei mir ist das was anderes. Ich kann nicht nach Hause gehen.«
»Kannst deine Miete nicht zahlen?«
»Die hab' ich eh' schon lang nimmer zahlt. Aber das wär' nicht das Schlimmste.«
Eine Weile blickten wir schweigend in unsere Gläser.
»Was ist denn dann das Schlimmste?« fragte ich schließlich, nur um das Gespräch weiterzuführen.
»Mei!« sagte der Toni und weiter nichts.
Wieder eine längere Pause.
»Warum gehst net mit deiner Frau ins Theater?« kam der Toni zum Thema zurück.
»Ich hab' keine Frau.«
»Ah naa? Und die hübsche Schwarze, die … wie heißt's gleich? Die Rosalind? Ist das nicht deine Frau?«
»Nicht mehr.«
Der Toni war maßlos verwundert. »Nicht mehr? Ist's am End' gestorben?«
»Schmarrn. Wir sind geschieden.«
»Ja so was aa. Du bist mir a Haderlump. Läßt sich scheiden. Hast denn a andere? Am End' die Blonde, die wo d' neulich dabeigehabt hast?«
»Ich hab' keine andere. Rosalind hat einen anderen.«
»Ah, so is das.«
Wieder ein langes Schweigen. Auf einen Wink Tonis wurden unsere leeren Gläser gegen volle ausgewechselt.
»Ja, die Weiber«, meinte der Toni schließlich versonnen. »Is' scho wirkli a Kreuz mit denen. Spinnert san's, alle miteinand.«
Ich nickte.
»Und die Blonde? War doch a nett's Madl.«
»Die hat auch einen anderen.«
»Darum bist so müd' beieinand. Mach dir nix draus. Ohne Weiber lebt sich's leichter. Kannst mir's glauben. Manchmal denkt man, ma braucht's. Besonders, wenn ma keine hat. Aber wenn ma eine hat, merkt ma erst, daß ma ohne viel besser zurechtkommt. Kannst mir's glauben, i woaß, was i sag'.« Darauf gab der Toni ein sehr geschliffenes Essay über die Frauen von sich, das kein weibliches Wesen hätte hören dürfen. Er ließ kein gutes Haar am anderen Geschlecht.
Ich nickte beifällig zu seinen Ausführungen und war ganz seiner Meinung. Recht hatte er. Frauen waren unmögliche Geschöpfe, mit ihnen war nicht auszukommen, und besser lebte man ohne sie. Auf jeden Fall friedlicher.
Darauf einigten wir uns in der Stunde nach Mitternacht. Wir waren mittlerweile zum Wein übergegangen und taten den heiligen Schwur, unser zukünftiges Leben nie wieder mit einer Frau zu belasten, möge sie so schön und verführerisch sein wie auch immer.
»Nie wieder«, sagte der Toni und rülpste. »Nie wieder ein Frauenzimmer. Das schwör' ich dir.«
»Nie wieder«, echote ich. »Schluß is damit.«
»Sie san net wert, daß a vernünftiger Mann auch nur einen Gedanken an sie verschwendet.«
»Nicht einen«, bekräftigte ich.
Als das Lokal geschlossen wurde, schwankten wir Arm in Arm die Seestraße entlang.
»Wo gehn wir jetzt hin?« fragte der Toni. »Hast no a Geld?«
»Keins mehr.«
»Nachher müssen wir heimgehen.«
»Müssen wir.«
»Grad dös wollt ich net.«
»Warum nicht?«
»Grad deswegen halt.«
Mehr erfuhr ich an diesem Abend nicht. Erst einige Zeit später. Wir verabschiedeten uns langwierig, umarmten uns, klopften uns auf die Schulter und erinnerten uns noch einmal gegenseitig an den heiligen Eid, den wir geschworen hatten. Schluß mit den Frauen! Ein paarmal drehte ich mich noch um und sah den Toni immer noch unschlüssig unter der Laterne stehen. Er hatte offenbar wirklich nicht die geringste Lust, nach Hause zu gehen.
Die Luft tat mir gut, also machte ich mich zu Fuß auf den Heimweg. Flüchtig kam mir die Idee, am Hohenzollernplatz vorbeizugehen, bei Steffi zu klingeln, ihre greuliche Wirtin aus dem Bett zu scheuchen und nachzuschauen, ob Steffi zu Hause war.
Aber ich ermahnte mich. Schluß mit den Frauen! Ich hatte geschworen. Und vermutlich war sie sowieso nicht zu Hause. Aber es kümmerte mich nicht. Mochte sie mit Eberhard schlafen. Es interessierte mich nicht im geringsten. Morgen würde ich nach Hause fahren. Zu Dorian und Isabel. Isabel war die einzige Frau, mit der ich in Zukunft noch reden würde. Sie war ein Pferd. Und Pferde sind nun mal bessere Menschen.
Begegnung am Weiher
Wirklich fuhr ich am nächsten Vormittag heim. Am Ostbahnhof stand ich eine Weile vor einer Telefonzelle und überlegte, ob ich Steffi anrufen sollte. Ich tat es nicht. Sie
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