Der Sommer des glücklichen Narren
Geschäftliche zu besprechen, und dann im sinkenden Abend fuhren Steffi und Eberhard zurück in die Stadt, und nun würde er bestimmt anhalten, wenn er es auf dem Hinweg noch nicht getan hatte, und ein kleiner Hund war an diesem Tag auch nirgendwo aufgetaucht. Der war ja auch nicht so wichtig.
Eberhard würde sagen: Schau, Kind, du mußt das nicht so ernst nehmen. Ich war nervös an dem Tag. Vergiß es endlich. Wenn du willst, besuchen wir den kleinen Hund nächstens, nehmen ihm eine große Wurst mit, und ich entschuldige mich bei ihm. Oder wir fahren ins Tierasyl, du suchst dir dort einen kleinen Hund aus, ich werde ihn jeden Tag füttern und Gassi führen, zur Buße und damit du siehst, daß ich es nicht so gemeint habe. Ja, Steffi, Liebling? Sieh mich an. Es ist alles wieder gut, nicht wahr?
Große Umarmung, langer Kuß. Heute nacht schlief Steffi bei Eberhard. Aus. Happy-End. Nächsten Monat war Hochzeit.
Überschätzte ich Eberhard? Ich glaube, ja. So zu reden war nicht seine Sache. Aber er würde seine Sprache sprechen. Wie auch immer, ich hatte jedenfalls eine Geschichte daraus gemacht. Wie das bei einem Schreiber eben üblich ist. Handlung, Dialog, Höhepunkt. So ist das bei mir.
Bis ich am Sendlinger-Tor-Platz aus der Sechs stieg, war Steffi bereits mit Eberhard vermählt und auf der Hochzeitsreise in Venedig. Oder vielleicht auch an der Costa Brava.
Kein Mensch soll mir sagen, eine blühende Phantasie sei eine Gabe Gottes. Sie kann auch ein Geschenk vorn Teufel persönlich sein.
Schluß mit den Frauen!
Jeder, der das liest, muß zugeben, daß es mit mir nicht so weitergehen konnte. Ich war immer ein ausgeglichener Mensch gewesen. Kein Bulle an Kraft und Lebensfreude, nicht dumm genug, um das Dasein als Kinderspielplatz zu betrachten, aber doch im Grunde zufrieden, heiteren Gemütes und voll freundlicher Gedanken. Und jetzt, an der Schwelle des fünften Jahrzehnts, benahm ich mich wie ein weltschmerzlicher Jüngling. Mal oben, mal unten, mal übermütig, mal voll schwärzester Verzweiflung. Voll unnützer Gedanken und törichter Gefühle. Mit einem Wort: Ich benahm mich wie ein Narr.
Ohne Zweifel, irgendwie war ich aus dem Gleichgewicht geraten. Und wenn ich versuchte, meinen Zustand zu analysieren, so mußte ich zu der Erkenntnis kommen, daß die Trennung von Rosalind eben doch nicht spurlos an mir vorübergegangen war. Ich hatte dabei einen Knacks davongetragen, der mein Seelenleben grundlegend durcheinandergebracht hatte. Und so kam es, daß ich mir selbst von Herzen zuwider war, als ich an diesem etwas windigen, aber sonst ganz schönen Nachmittag Anfang Juni durch mein geliebtes München schlenderte. Gleich zu Muni nach Hause zu gehen, dazu fühlte ich mich nicht imstande. Sie würde mir ja sofort wieder ansehen, wie mir zumute war. Also beschaute ich zunächst einmal Schaufenster, auch die, in denen Damenhüte und Miederwaren ausgestellt waren, stand eine Weile gedankenverloren am verkehrsumtosten Marienplatz, trank im Opernespresso Kaffee und kam schließlich auf die Idee, ins Theater zu gehen. Warum nicht? Den dunklen Anzug hatte ich sowieso an, und für einen kulturbeflissenen Menschen gehörte es sich, gelegentlich einen Sessel in einer mittleren Parkettreihe zu drücken.
Ich erstand eine Karte in den Kammerspielen, und da es noch Zeit hatte, bis die Vorstellung begann, setzte ich meinen Rundgang durch die Stadt fort. Ich zögerte vor der Tür zu Camillas Buchladen, ging aber nicht hinein. Ich zögerte vor einer Telefonzelle, ob ich Lix anrufen sollte, ließ es aber dann doch bleiben.
Zum Dämmerschoppen fand ich mich im Bratwurstglöckl ein, verspeiste sechs Schweinswürstl und, weil sie so gut waren, noch vier obendrauf. Pünktlich war ich im Theater. Es gab ein modernes Stück, und ich war nur mäßig begeistert davon. Als es zu Ende war, mochte ich noch immer nicht nach Hause gehen. Ich wandte mich in Richtung Schwabing, ging zu Fuß und landete schließlich in der ›Seerose‹.
Da war der Toni. Er musterte mich in meinem Staat und sagte: »Wie schaugst du denn aus? Gehst am End' zu einer Beerdigung?«
Ich dachte nicht daran, ihm mitzuteilen, wie nahe er der Wahrheit kam, sondern erklärte: »Ich war im Theater.«
»Sauber«, meinte der Toni, »du bist halt ein gebildeter Mensch. Besonders gut unterhalten hast dich anscheinend nicht, deiner Latschen nach zu schließen.«
»Es ging«, erwiderte ich und bestellte mir ein Bier.
»Warst etwa allein im Theater?« wollte der Toni
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