Der Sommer des glücklichen Narren
wer …«
»Sie soll gut geworden sein. Früher war sie ja auch reichlich frech, nicht?«
»Woher kennen Sie Isabel?«
»Na, Mensch!« Die braunen Augen betrachteten mich voll Verachtung. Soviel Dämlichkeit schien ihr noch nicht vorgekommen zu sein. »Schließlich ist sie ja bei uns gezogen. Ich war dabei, als sie auf die Welt kam.«
»Das kann ich doch nicht wissen. Ich habe schließlich keine Ahnung, wer Sie sind.«
»Nein?« Sie blickte mich maßlos verwundert an. »Na, so was. Ich dachte, das wüßten Sie.«
»Woher soll ich das wissen? Bin ich ein Hellseher?«
Sie lachte vergnügt. »Anscheinend nicht. Ja, eigentlich wahr. Woher sollen Sie das wissen. Onkel Franz hat nur gesagt: Isabel ist bei dem Schriftsteller, der hinter Unter-Bolching mitten im Wald lebt. So'n kleines Haus auf einer Lichtung. Du wirst es schon finden, hat er gesagt. Und ich hab's ja auch gefunden.«
»Ist Onkel Franz vielleicht Graf Tanning?«
»Natürlich.«
»Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Und Sie sind demnach von dem Gestüt im Rheinland, wo Isabel herkommt.«
»Genau. Gott, sind Sie intelligent. Müssen ja großartige Bücher sein, die Sie schreiben.«
»Ich hoffe es. Und ich würde zu aller Intelligenz nun gern auch noch das Wissen dazugewinnen, wer Sie wirklich sind.«
»Ein schöner Satz«, lobte sie mich. »So was fiele mir bestimmt nie ein. Na ja, gehört bei Ihnen eben zum Beruf. Ich bin Gwen.«
»Aha«, sagte ich. »Gwen also. Und offenbar eine Nichte des Grafen Tanning.«
»Nicht direkt eine Nichte. Wir sind so ein bißchen zickzack verwandt. Seine Schwester ist die Frau von Vatis Cousin, wissen Sie. Oder so ähnlich. Genau weiß man das nie, wir haben so schrecklich viel Familie. Ich bin jedenfalls Gwendolyn K. Soviel steht fest.«
So war das also. Eine junge Dame aus allerblauestem, alleredelstem Geblüt stand hier vor mir. Jetzt wußte ich, wer sie war und wo sie herkam. Die Tochter des Fürsten K. Herr über die Güter Thronburg und Wasern und das dazugehörige Gestüt.
Ich erinnerte mich, daß der Graf von der Familie gesprochen hatte, im Zusammenhang mit Isabel war die Rede davon gewesen. Eine Verwandtschaft hatte er nicht erwähnt.
Ich machte unwillkürlich eine kleine Verbeugung und sagte: »Ich freue mich, daß wir der Sache nun auf den Grund gekommen sind, Durchlaucht.«
»Nennen Sie mich Gwen«, sagte sie ungeduldig, »und nun kommen Sie endlich, ziehen Sie sich an.«
»Herzlich gern.« Denn mir war langsam kalt geworden ich stand schließlich immer noch in der Badehose vor der kleinen Fürstin. »Dazu muß ich aber ins Haus zurück …«
»Na los, ich reite schon vor.« Mit einem Schwung war sie im Sattel, machte eine flotte Hinterhandwendung und stürmte aus dem Stand im Galopp los, den schmalen Waldweg entlang. Kein Wunder, daß sie sich das Schlüsselbein brach. Bei dieser Methode würde sie das wilde Pferd kaum bändigen. Das konnte ja nicht ruhig werden bei einer so wilden Reiterin.
Dorian und ich setzten uns auch in Trab. Als wir beim Waldhaus ankamen, graste der Rotfuchs ganz friedlich im Gras, und Gwen saß auf der Schwelle und rief mir entgegen: »Haben Sie eine Zigarette?«
»Auch das«, sagte ich. »Einen Schnaps vielleicht auch?«
»Klar. Und dann machen Sie schnell.«
»Zu Befehl.«
Sie kam mit ins Haus, nahm sich eine Zigarette aus der Dose, die ich ihr hinstellte, ließ sich Feuer geben, kippte den Schnaps und wanderte dann ungeniert durchs Zimmer und sah sich um.
»Mann, haben Sie eine Menge Bücher. Haben Sie die alle gelesen?«
»Größtenteils.«
»Finde ich doll.«
»Wenn Sie mich einen Moment entschuldigen, ich zieht mich schnell an.«
»Ja, los. Und Reitdreß bitte. Ich möchte Isabel mal gehen sehen.«
Na schön. Die Fürstin äußerte ihre Wünsche, und ich mußte gehorchen. Hoffentlich war Isabel nicht so ungezogen wie heute mittag. Aber sie war zwei Stunden unterwegs gewesen, sie würde noch müde sein. Einige Minuten später war ich zur Stelle. Die kleine Fürstin musterte mich von Kopf bis Fuß und sagte: »Gut. Sie sehen ganz passabel aus. Sie haben die richtige Figur zum Reiten. Hab' ich in der Badehose schon gesehen.«
Ich konnte es nicht verhindern, ein wenig zu erröten, was Gwen sehr amüsierte.
»Wohnen Sie ganz allein hier?«
»Ja.«
»Haben Sie keine Frau?«
»Nein.«
»Auch keine Freundin?«
»Nein.«
»Ist ja toll. Ich habe Männer gern, die keine Frauen haben. Ehemänner sind so spießig. Nie kann man richtig mit ihnen
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