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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Dänen hinter dem Hamburger Berg. Und dazu die beste Schenke.»
    Er lachte dröhnend, so wie man es von einem Wirt erwartete, und Rosinas Hand, vom Kutschieren der Komödiantenwagen schon ungewöhnlich fest und kräftig, verschwand völlig in einer seiner großen Pranken. Gleichzeitig klopfte er mit der anderen Sebastian auf die Schulter und brüllte der Schankmagd zu: «Lineken, hol was von dem Rheinischen aus dem Keller. Wenn ihr Titus sucht», fuhr er etwas leiser fort, «der sitzt dort hinten auf der Bank neben dem Fass. Gut, dass ihr kommt, sonst hat er es gleich leer getrunken.»
    Titus hatte keine Lust gehabt, sich das Spektakel auf dem Großneumarkt anzusehen. Es gebe schon genug Gram auf der Welt, da brauche er nicht noch einen Unglückspropheten im weißen Hemd, hatte er gebrummt und sich gleich zu seinem alten Freund Jakobsen aufgemacht. Sie kannten einander schon lange, der Wirt und der Komödiant, und wenn die Becker’sche Gesellschaft in Hamburg spielte, konnte man Titus stets leicht finden. Zwar war der eine auf dem Karren, der andere in einer Kammer über der Schenke geboren, der eine sein Leben lang auf allen Straßen des Reiches unterwegs gewesen, der andere immer in Hamburg geblieben, aber weil beide heimlich vom Glück des anderen Lebens träumten, fühlten sie sich einander verbunden wie Brüder. Und wenn einer in Jakobsens Schenke saß und über das fahrende Pack herzog, hatte er hier sein letztes Glas Branntwein getrunken. Das wusste jeder in der Neustadt, und weil Jakobsen ein guter Wirt war, weil er reines Bier in sauberen Krügen und nur wenn schon alle betrunken waren, verdünnten Branntwein ausschenkte, weil seine Schwester, die Königin der Küche hinter dem breiten Schanktisch, weit und breit den besten Klippfisch in Rahmbrühe mit Pfeffer, Muskatblumen und Petersilien servierte, wurde im
Bremer Schlüssel
eben nicht über fahrendes Pack geschimpft.
    Titus saß auf einem Schemel und schaute den Mann, der ihm gegenübersaß, mit listigen Augen an.
    «Und ich sage dir, Knopfmacher: du spinnst. So ein Komet hat was Besseres zu tun, als auf die Erde zu knallen. Dann ist er ja hin, und warum sollte er das wollen?»
    Er griff nach seinem Krug und leerte ihn, ohne zu bemerken, dass der fürsorgliche Jakobsen ihm nur mit wenigen Tropfen Bier vermischtes Wasser nachgefüllt hatte.
    «Ich spinne? Du musst es ja wissen. Aber ich weiß es noch besser. Monsieur Klappmeyer, für den ich schon viele Knöpfe gemacht habe, und zwar nur die feinsten, mit italienischem Damast bezogene, aus Elfenbein und bestem irischen Hirschhorn, Monsieur Klappmeyer kennt alle Welt und viele Bücher. Jeden Tag liest er in seinen Büchern, er wird noch blind werden davon, aber das macht ihm nichts, die Wissenschaft geht ihm über alles, der hat mir erst heute Morgen erzählt …»
    «Klapperlapapp! Haaa», Titus schlug mit brüllendem Gelächter mit der Faust auf den Tisch. «Klapperlapapp, das ist gut. Jakobsen, bring dem Knopfmacher noch ein Bier, er ist der beste Hanswurst weit und breit. Die besten Schauergeschichten …»
    «Titus!» Rosina stand, die Hände in die Hüften gestemmt, vor ihm und sah streng auf ihn herunter. «Was soll der Unsinn? Seit wann trinkst du wie ein Brauerknecht? Dazu am helllichten Tag! Steh auf, du verrückter Kerl, lass uns nach Hause gehen.»
    «Rosina, holde Ballerina», schrie Titus und fing gleich wieder an, grölend zu lachen. Rosina kannte ihn seit sechs Jahren, oft war er, der auf der Bühne immer der große Spaßmacher sein musste, brummig, und beizeiten konnte er wüten wie ein Rumpelstilz, aber so betrunken hatte sie ihn noch nie erlebt. Sie sah sich nach Sebastian um, alleine würde sie Titus nie von seinem Schemel bewegen, aber der ließ sich gerade von Lineken Bier einschenken und, das sah Rosina genau, hemmungslos anhimmeln. Ärgerlich griff sie nach Titus’ Krug, sie war durstig und hungrig, und nahm einen großen Schluck.
    «Pfui Teufel», rief sie, aber Jakobsen, der gerade in diesem Moment hinter Titus’ Rücken auftauchte, legte grinsend den Finger auf den Mund.
    «Jakobsen braut das beste Bier», nuschelte Titus, «das allerbeste.»
    Und dann legte er mit einem zufriedenen Schnaufer den schweren Kopf auf die Arme und war von einer Sekunde auf die andere eingeschlafen.
    Jakobsen, Rosina und Servatius, der Knopfmacher aus der Caffamacherreihe, sahen verblüfft auf den breiten Rücken in der grünen Joppe, auf das dicke gelbe Haar, und die beiden Hände, die noch im

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