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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Wie stellt Ihr Euch das vor? Soll ich mich im Rathaus auf Euren Stuhl setzen und …»
    «Nein, eben nicht. Ich bin sicher …»
    Er brach ab und sah mit zusammengekniffenen Augen durch die Scheiben in den vorderen Raum. «Schickt erst mal die beiden Lauscher weg. Die haben doch sicher am Hafen zu tun. Sonst sollen sie sich da was zu tun machen.»
    «Van Witten …»
    «Bitte, Herrmanns. Es ist wirklich wichtig.»
    Seufzend nickte Claes Christian zu, und erst als Fietz und Dübbel widerwillig das Kontor verlassen hatten, sprach der Senator weiter.
    «Ich bin sicher, dass die Sache mit Marburger ziemlich kompliziert ist. Wir wissen alle, dass er ein zwielichtiger Kerl war, nur konnte ihm nie einer was beweisen. Aber irgendwer muss ja was wissen. Wie ich schon sagte, Ihr kennt die Leute, und vor Euch hat keiner Angst. Wenn die Wedde kommt, sehen sich die meisten gleich in der Fronerei und halten den Mund, und wenn einer doch was sagt, dann selten die Wahrheit. Jeder kocht sein Süppchen, das wisst Ihr doch. Wenn
Ihr
aber mit den Leuten redet, so ganz nebenbei, einfach als neugieriger Bürger, ist das etwas ganz anderes. Keiner gibt gern Auskunft, doch alle klatschen gern. Das müsst Ihr doch verstehen. Ihr bekommt einfach viel mehr heraus als Wagner und ich. Und Ihr könnt Euch immer mit Wagner beraten, wenn es schwierig ist. Unser Wagner», schloss er mit einem gönnerhaften Blick auf seinen Weddemeister, «sieht zwar nicht nach viel aus, aber er hat was im Kopf. Und ich bin natürlich auch immer da. Denkt darüber nach, aber nicht zu lange.»
    Er erhob sich und schritt, Wagner im Gefolge, zur Tür.
    «Gebt mir morgen Bescheid, Herrmanns, aber ich will keine Ablehnung hören. Ihr seid genau der Richtige, das habt Ihr im letzten Frühjahr bewiesen. Und noch etwas, fast hätte ich es vergessen: Pagerian braucht dringend einen Aushilfsschreiber. Er muss jetzt Marburgers Arbeit miterledigen, und das ist offenbar ziemlich schwierig, weil der Kerl ständig irgendwelche undurchsichtigen Alleingänge gemacht hat. Pagerian hat einen Lehrling, aber der ist zu einer völlig überflüssigen Familiensache zu Hause in Höxter. Wenn Ihr jemanden wisst, schickt ihn einfach in das Kontor am Dreckwall neben der Zuckerbäckerei. Er soll sagen, er komme von mir.»
    Später fragte sich Claes, welcher Teufel ihn geritten hatte, in van Wittens seltsamen Plan einzuwilligen, und für einen Moment gestand er sich ein, dass es einzig dieses völlig unvernünftige Kribbeln gewesen war, das er bei dem Gedanken gefühlt hatte, ein Geheimnis aufzuklären. Nur für einen Moment, aber bis unter die Haarwurzeln.
    Der Senat brauche seine Hilfe, erklärte er seinem verblüfften Sohn, wer könne sich da verweigern?
    Claes saß im Kontor in seinem Lehnstuhl, der für ihn immer der beste Ort war, um nachzudenken, zog den großen Tabaktopf aus portugiesischer Fayence heran und stopfte sich bedächtig eine Pfeife. Er liebte diesen Topf, der schon seit Generationen in seiner Familie war und stets im Kontor des jeweiligen Hausherrn stand. Er war groß wie eine Suppenterrine und bauchig wie ein Ballon. Die kunstvollen Blaumalereien hatten ihn als Kind von wunderbaren Abenteuern träumen lassen. Am oberen Rand posierten Elefanten und Löwen zwischen fremdartigen Gewächsen, und darunter lustwandelte ein vornehmes, von Vögeln und Blumen umgebenes Paar. Die lächelnde Dame mit dem verführerischen Dekolleté trug zierlich einen Fächer, der Herr mit dem großen Federhut und den langen Kräusellocken hielt eine langstielige Pfeife in der ausgestreckten Hand.
    Claes drehte den Topf und betrachtete, wie er es vor vielen Jahren so oft getan hatte, auf der anderen Seite das Hamburger Wappen, das dreitürmige, von zwei aufrecht stehenden Löwen gestützte Stadttor. Darunter war die Jahreszahl gemalt, 1668 . Fast hundert Jahre war der Topf in seiner Familie, und Claes wusste, dass er zur Aussteuer einer seiner Vorfahrinnen gehört hatte, als Teil eines großen Services mit allen erdenklichen dazu passenden Gefäßen, so wie es damals in den wohlhabenden Familien Brauch war.
    Wenn seine Ahnin dem Bild auf dem Topf entsprochen hatte, musste sie eine heitere Dame gewesen sein. Auf den zweiten Blick glich sie ein wenig Anne. Er legte die gestopfte Pfeife auf den Tisch und griff nach einem Bogen Papier. Dann schnitt er die Feder nach und tauchte sie in die Tinte. Er kam sich albern vor, wie er da an diesem Tisch saß, an dem sonst nur Zahlen, Listen und ordentliche

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