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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Handelskorrespondenzen geschrieben wurden, und über den besten Plan nachsann, einen Mörder zu fangen.
    Egal. Wer konnte Grund gehabt haben, Marburger zu töten? Gab es überhaupt einen vernünftigen Grund, einen Menschen zu töten, ihm morgens bald nach Sonnenaufgang eine schwere Tonform auf den Schädel zu schlagen und ihn sterbend liegen zu lassen? Das war die falsche Frage. Mord und Totschlag waren nie vernünftig, aber sie geschahen dennoch. Und wer weiß, wie es zu dem tödlichen Schlag gekommen war? Vielleicht war der gar nicht geplant gewesen, vielleicht hatte Marburger mit seinen gefürchteten Beleidigungen und Hänseleien seinen Mörder erst zu der Tat gereizt.
    Andererseits, wer eine Zuckerform auf die Bastion schleppte, musste einen Grund dafür gehabt haben. Und wozu sonst konnte man so ein schweres unhandliches Ding dort brauchen?
    Er musste die Frage anders stellen: Wer hatte Grund gehabt, Marburger zu hassen? Wen hatte er so gequält oder betrogen?
    Ja, so kam er weiter. Oswald, natürlich. Egal, wie sehr Christian für seinen Charakter bürgte, der hasste den Zuckerbäcker tatsächlich bis aufs Blut, und dazu aus gutem, aus sehr gutem Grund. Er musste unbedingt mit ihm reden, und zwar bald, am besten heute noch.
    Wieder öffnete Blohm die Tür, aber diesmal drängte Wagner sich schon an ihm vorbei, bevor der alte Diener ihn melden konnte.
    Claes sah unwillig auf. Was wollte der schon wieder hier? Wagner war der Letzte, den er jetzt sprechen wollte. Er sah, dass der Weddemeister schwer atmete, ganz offensichtlich hatte er sich auf seinem Weg vom Rathaus zum Neuen Wandrahm sehr beeilt.
    «Bring uns Zitronenwasser, Blohm», sagte Claes.
    «Danke, sehr freundlich. Die Hitze», Wagner zog mit einer entschuldigenden Handbewegung ein großes Tuch aus seiner Jacke, wischte sich energisch die Stirn und schielte dabei unverhohlen neugierig auf Claes’ Liste.
    «Ich sehe, Ihr habt schon begonnen. Sehr gut. Dann kommt meine Nachricht gerade recht. Sie duldet keinen Aufschub.»
    «Lasst sie mich gleich hören.»
    Claes nahm die Liste aus Wagners Blickfeld, es gefiel ihm gar nicht, dass ein Mitglied der Wedde darauf Oswalds Namen gelesen hatte.
    «Natürlich. Gleich. Es ist sehr interessant. Die Ärzte haben den Toten nun untersucht. Ihr wisst sicher, dass jeder, der durch fremde Hand gestorben ist, im Keller des Eimbeck’schen Hauses genau untersucht wird. Das ist nun geschehen, und man hat festgestellt, dass er
nicht
mit der Zuckerhutform erschlagen wurde.»
    Wagner sah Claes triumphierend an.
    Der Jagdhund hat apportiert, dachte der und fragte: «Wieso nicht? Die lag doch gleich daneben, und – das hat der Senator jedenfalls gesagt – sie war blutverschmiert.»
    Wagner nickte eifrig.
    «Das stimmt. Und ich denke, der Mörder hat sie auch tatsächlich benutzt. Aber so eine Zuckerhutform, sagen die Ärzte, ist nicht hart genug, um jemanden damit zu töten. Jedenfalls nicht gleich mit einem Schlag. Und vor allem: Wenn man so heftig mit ihr zuschlägt, dass ein Mensch ernstlich verletzt wird, würde sie zerbrechen. Sie haben es sogar ausprobiert. Natürlich nur auf einem Holzklotz aus harter Eiche. Dreimal. Nichts als Scherben. Tonscherben natürlich. Und menschliche Knochen sind härter als Eiche, eindeutig härter. Es war auch eine kleine Form, und eine neue dazu, das sind die leichtesten, weil sie noch nicht mit Zucker vollgesogen sind. Die alten sind härter, aber sie würden auch zerbrechen.»
    Blohm trat ein, stellte einen Krug mit kaltem Zitronenwasser und zwei Gläser auf den Tisch und zog sich, nicht ohne dem unschicklichen Besuch einen herablassenden Blick zuzuwerfen, stumm wieder zurück.
    «Danke, Blohm.» Claes goss beide Gläser randvoll und nahm einen großen Schluck. «Trinkt, Wagner, das wird Euch abkühlen.»
    Wagner nahm sein Glas, aber er trank nicht, sondern sah Claes gespannt an.
    «Was sagt Ihr dazu? Ist das nicht sehr seltsam?»
    «Das ist tatsächlich seltsam. Ich verstehe es nicht. Die Zuckerhutform war doch blutig …»
    «In der Tat, sogar sehr blutig. Aber ich habe sie mir nun ganz genau besehen. Und wenn man das tut, stellt man fest: Das Blut kam nicht von dem Schlag.»
    «Nicht?»
    «Nein. Es wurde auf die Form
gewischt
. Wenn man ein sehr hartes Objekt verwendet, zum Beispiel ein großes Bügeleisen, einen Schmiedehammer oder ein Bleigewicht, um damit auf einen Kopf zu schlagen, sieht das hinterher ganz anders aus. Die Kopfhaut platzt, der Knochen splittert, das gibt,

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