Der Sommer des Kometen
sozusagen, einen Brei aus Blut und Knochensplittern, und wenn das Gehirn hervorgetreten ist, auch von dieser Masse, sie ist hellgrau, müsst Ihr wissen, fast schon weiß und sehr weich, klebt dann etwas auf der Form, wie ein …»
«Schon gut, Wagner.» Claes fühlte, wie leichte Übelkeit an die Stelle des anregenden Kribbelns trat. «Ihr braucht nicht so ins Detail zu gehen. Wenn ich Euch recht verstehe, fehlte auf der Form dieser …, nun, dieser Brei.»
«Genau. Es sieht aus, als habe ihn jemand mit einem anderen harten Gegenstand, einem Rohr oder sehr harten dicken Knüppel, niedergeschlagen und ein wenig von dem Blut, das von der Wunde den Hals hinunterlief, mit den Fingern auf die Form gewischt. Und es ist auch möglich, dass die Form, die wir dort fanden, gegen die Kopfwunde gedrückt wurde, um sie mit dem Brei aus … nun, mit dem Brei zu beschmutzen. Das heißt», nun leuchtete sein rundes Gesicht vor Triumph, «für den tödlichen Schlag hat jemand ein anderes Objekt benutzt. Und das hat er wieder mitgenommen, denn wir haben keines gefunden.»
«Aber warum dann dieser Umstand mit der Tonform?»
«Damit wir denken, diese Form sei das Corpus Delicti. Versteht Ihr? Eine Täuschung.»
Claes bemühte sich um ein kluges Gesicht, aber tatsächlich fragte er sich, ob er der richtige Mann für diese Aufgabe war. Mit solchen Finessen hatte er nicht gerechnet.
«Eine Täuschung also. Ich muss gestehen, dass mir auch dazu keine Erklärung einfällt.»
«Es ist ganz einfach.» Endlich trank Wagner, sein Glas war mit einem Zug geleert, und Claes füllte es sofort nach. Vielleicht hatte van Witten recht, und hinter dem unbedarften Auftreten des Weddemeisters steckte wirklich ein schlauer Kopf.
«Ganz einfach», wiederholte der. «Der Täter will, dass wir
denken
, die Zuckerform sei die Mordwaffe. Und dafür gibt es zwei Erklärungen.»
«Nun sagt schon. Welche?»
«Erstens: Es ist eine Botschaft, die uns und der ganzen Stadt sagen soll: Der ist wegen eines Streites unter Zuckerleuten getötet worden. Ihr wisst, in den großen Zuckerbäckereien herrscht seit einigen Wochen viel Aufruhr. Es kann eine Warnung für die anderen Zuckerbäcker bedeuten, den Forderungen der Knechte nachzukommen. Zweitens», er trank wieder, aber diesmal nur einen kleinen eiligen Schluck, «der Mörder will, dass wir das denken, weil er den wahren Grund verbergen möchte.»
«Aber warum sollte er das wollen?»
Wagner seufzte, und Claes fand, dass es sich ein wenig ungeduldig anhörte.
«Auch das ist, mit Verlaub, ganz einfach. Wenn wir einen Mörder suchen, suchen wir doch immer einen, der Grund zu dieser Tat hatte.»
«Natürlich. Darüber hatte ich gerade nachgedacht, als Ihr kamt. Was haltet Ihr davon, wenn wir von nun an gemeinsam nachdenken?»
Wagner nickte ernsthaft, griff in seine Tasche und holte einen Bogen Papier hervor. Als er ihn auseinanderfaltete, sah Claes, dass die Liste des Weddemeisters schon sehr lang war. Beschämend lang.
8. Kapitel
Samstag, den 14. Junius,
nachmittags
Es kostete Mühe, Brooks loszuwerden, und Claes wusste nicht, ob er sich über ihn ärgern oder sich über die Fürsorglichkeit seines Stallmeisters freuen sollte. Als die Kutsche, diesmal war er klug genug gewesen, die alte, kleinere zu nehmen, an der Springeltwiete hielt, sprang Brooks vom Bock, machte die Pferde an der Haltestange vor Gulles Weinhaus fest und schickte sich an, seinen Herrn zu begleiten.
«Du bleibst hier», sagte Claes, «ich will keine Eskorte.»
Aber ganz gegen seine Art widersprach Brooks. Es sei zu gefährlich für einen Herrn, allein in die Gänge zu gehen, das sei ein Irrgarten, und das Volk dadrin Lumpenpack oder immer hungrig, was beides große Lust machte, Fremden den letzten Silberknopf von der Weste zu reißen, und wenn es ganz arg komme …
«Unsinn!», schnitt Claes ihm ärgerlich das Wort ab, drehte sich um und stapfte die Twiete hinab. «Wenn ich heute Abend nicht zu Hause bin», rief er über die Schulter zurück, «darfst du mich suchen kommen.»
Brooks sah ihm grimmig nach.
Claes lächelte nachsichtig. Guter alter Brooks. Er wusste schließlich selbst, dass die Höfe und Gänge um St. Jakobi ein Labyrinth waren, er wusste, dass hier auch der Bodensatz der Stadt lebte, wie van Witten es gerne ausdrückte. Aber Pagerian hatte ihm erklärt, wo Oswald mit seiner Familie jetzt wohnte. Man musste nur in den Hofdurchgang neben Seibolds Kammmacherei an der Steinstraße direkt gegenüber der
Weitere Kostenlose Bücher