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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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steifen jungen Männer gesehen, vor ihrer Bühne und auch in den Salons der wenigen Bürgerhäuser, in die man die Becker’schen Komödianten in Leipzig, Hannover oder Braunschweig hin und wieder einlud. Aber niemals hatte sich so einer bis in ihre Wohnung gewagt, die, egal, in welcher Stadt, stets eine Mietwohnung unter irgendeinem fremden Dach war. Natürlich gab es immer Männer, die die Komödiantinnen für käuflich hielten, aber das waren andere, mit blitzenderen Augen und feuchteren Lippen. Männer mit gierigen Händen, denen Titus oder Sebastian mit großem Vergnügen und im Handumdrehen ihren Irrtum klarmachten, wenn sie Rosinas und Helenas Abweisungen ignorierten.
    «Mademoiselle, ich störe gewiss, und es ist eine große Vermessenheit, ohne Einladung in Euer Heim vorzudringen. Ich meine, Ihr kennt mich nicht, und was sollte Euch veranlassen, mich zu empfangen …»
    Er wusste nicht mehr weiter, und Rosinas Stirn, die sich bei seinem Eintreten in strenge Falten gelegt hatte, entspannte sich. Der wollte nicht ihre zarte Hand küssen, ihre reizende Schulter anbeten, oder was die Bürgersöhne sonst vorgaben, von einer Komödiantin zu wollen. Er war sicher nur ein heimlicher Dichter, der seine Werke Thalia und Euterpe darbringen wollte – oder besser Melpomene, denn seine Augen verrieten, dass ihm eher Dramen als Komödien und zarte Gedichte einfielen.
    Sie versuchte nicht zu seufzen, dachte an das verlorene Stück – vielleicht bot sich hier ja, entgegen aller Erfahrung, ein Ersatz an – und lächelte freundlich.
    «Ob ich Euch empfangen will oder nicht, Ihr seid nun da, dann könnt Ihr Euch auch setzen. Am besten auf den roten Sessel dort, der steht im Schatten.»
    Er setzte sich brav, faltete die Hände auf den Knien und sah sie erwartungsvoll an.
    «Nun? Ihr seid sicher nicht gekommen, um mich anzusehen.»
    «O nein!» Er rutschte auf die Sesselkante, spreizte nervös die Finger und legte die Hände fest auf die Knie. «Das würde ich mir niemals erlauben. Es ist …»
    Er holte tief Luft, und Rosina sah in seinem Gesicht, wie er seiner ängstlichen Seele einen großen, tapferen Schubs gab.
    «Ich will zur Sache kommen.» Seine Finger spreizten sich wieder, er straffte seinen Rücken und sah sie gerade an. «Es wird Euch sehr befremdlich erscheinen. Aber ich möchte, ich bitte Euch ergebenst, mir Unterricht zu erteilen.»
    Er lehnte sich zurück, und ein wenig von seiner Kaufmannswürde, denn er war gewiss ein junger Kaufmann oder Reeder, kehrte in seine Augen zurück.
    «Unterricht?» Damit hatte sie als Letztes gerechnet. «Ihr wollt doch nicht etwa zur Bühne? Das solltet Ihr Euch gut überlegen, es ist kein einfaches Leben, es …»
    «Aber nein. Verzeiht meine Ungeschicklichkeit. Ich habe noch niemals so ein Gespräch geführt, und ich weiß nicht, was sich bei so einer Gelegenheit schickt. Und wie ich es ausdrücken soll.» Ein Grübchen schlich sich in seine rechte Wange, und endlich erschien er wie ein ganz normaler, höchst lebendiger junger Mann.
    «Es ist ganz einfach. Wie ein Handel. Ihr wollt Unterricht. Sagt mir, wozu und worin, dann sage ich Euch, ob ich Euch diese Ware liefern kann. Und zu welchem Preis», fügte sie mit einem kleinen Lächeln hinzu.
    Er nickte mit dankbarem Ernst. «Wenn Ihr erlaubt. Ich möchte Unterricht in Liebesdingen.» Nun war es heraus, und er verstand überhaupt nicht, warum diese bisher so freundliche junge Frau plötzlich voller Empörung aufsprang. Es war wohl doch nicht so einfach.
    «Monsieur!», rief Rosina. «Ihr seid schlecht informiert. Wenn Ihr diese Art Unterricht wollt, da gibt es ein Haus auf dem Hamburger Berg gleich hinter den Reepschlägerbuden. Da findet Ihr die richtigen Damen für solche Unterweisung. Und nun hinaus! Hier seid Ihr völlig falsch. Hinaus!»
    Zornbebend sah sie auf sein fassungsloses Gesicht hinunter, und da erst begriff er.
    «Nein, ich bitte Euch, Ihr habt mich ganz und gar falsch verstanden, niemals hätte ich es gewagt … nein, solchen Unterricht würde ich niemals fordern! Oh, beim Jakobus, wie bin ich dumm. Auf diese Idee wäre ich nie gekommen. Bitte», er ergriff flehend ihre Hand, «beruhigt Euch. Ich würde Euch nie so gering achten. Bitte, darf ich noch einmal von vorne anfangen?»
    Nachdem Rosina zuerst Titus, der hereingestürzt war, um sie vor einem vermeintlich frechen Verehrer zu schützen, und dann sich selbst beruhigt hatte, ließ sie ihren seltsamen Besucher tatsächlich noch einmal von vorne

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