Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman
handfest und zäh, Stift und Papier. Hundert Mal schrieb ich den ersten Satz und kam nicht weiter. Ich strich und schrieb neu, immer abwechselnd, immer und immer wieder. Dann versuchte ich stattdessen, den letzten Satz zu schreiben, der mir in den Kopf gekommen war, bevor der Roman mich unterbrach und irgendwo zwischen Satelliten und Sternen verschwand, der Satz, den ich am besten in Erinnerung behalten sollte, war es doch das Letzte, was ich geschrieben hatte. Hast du von dem gehört, der so verdammtes Glück gehabt hat, sagte Steve. Er ist von einem Krankenwagen überfahren worden. Auf diese Art und Weise konnte ich mich zurückschreiben, Wort für Wort, ganz zurück bis zum Titel, ich konnte mich heimschreiben von den schlechten Nachrichten zu den guten, denn alle schlechten Nachrichten beginnen mit etwas Gutem, sonst wären sie ja nicht schlecht, nicht wahr, ich konnte alles wieder gutschreiben. Ebenso vergebens, ebenso unnütz, ebenso unmöglich. Es gelang mir auch nicht, rückwärts zu schreiben. Ich trat auf der Stelle. Kein Weg stand mir offen. Keine Richtung konnte mich befreien. Ich schneite ein. Stattdessen kam die Angst zu Besuch. Die Angst stand im Fenster. Die Angst hielt Messer und Gabel. Die Angst lag im Bett, wenn ich mich schlafen legen wollte. Die Angst band die Schnürsenkel zu. Die Angst wartete am Telefon. Die Angst zog die Krawatte zu. Die Angst war der Korken, nicht die Flasche. Die Angst war die Tür, nicht das Haus. Die Angst war nicht der Roman, der mich nicht haben wollte, sondern alle Romane, die ich niemals kennenlernen würde. Ich holte meine alte Schreibmaschine hervor, eine Remington Portable, sie hatte seit Langem auf dem Dachboden gestanden, und ich konnte mich nicht daran erinnern, wann seit Langem gewesen war. Während ich da oben herumwühlte, zwischen Spinnweben, Kleiderbügeln und Schuhen, fand ich noch etwas anderes, nämlich eine ganze Tüte voller Fotoautomatenbilder, es waren einige Hundert. Sie stammten aus der Zeit, die ich meine heiße Phase nannte, die Jahre vor meinem vierzigsten Geburtstag, als es mir nicht gelang, etwas zu Ende zu bringen, ich schrieb damals ausschließlich per Hand, und jedes einzelne Wort, das ich schrieb, strich ich wieder durch und fing von vorn an, mit dem gleichen Wort, strich es wieder durch, und so machte ich weiter, bis ich ein ganzes Manuskript hatte, einen sogenannten dicken Schinken, in dem nur ein einziges Wort stand, das durchgestrichen war: ich. Dann nutzte »ich« stattdessen die leeren Tage, diese nutzlosen, unergiebigen Stunden, dazu, von einem Fotoautomat zum anderen zu gehen, mich in Pose zu setzen, den Vorhang vorzuziehen, der immer schlecht roch, diese Vorhänge erinnerten mich an die schäbigen Gardinen in den Studentenwohnheimen, in denen sich die Studenten vor mir wahrscheinlich die Nase geputzt oder sie für Schlimmeres benutzt hatten, warf das Geld ein, starrte auf die grellen Lichtblitze, manchmal trug ich auch eine Sonnenbrille, andere Male hatte ich eine Zigarette im Mundwinkel, ich inszenierte mein eigenes Gesicht, und hinterher, wenn ich auf den feuchten, fast klebrigen Streifen wartete, der aus dem Schlitz in den Schacht fallen sollte, dann fühlte ich mich wie ein Dieb, ein einfacher Einbrecher, nein, ein Fälscher, ein Fälscher war ich, ich fälschte mein Gesicht für tausend Pässe und hatte doch kein Ziel, an das ich reisen konnte. Was die Schreibmaschine betraf, so brauchte ich gar keinen Bogen einzuspannen. Die Tasten waren auch leer. Ich war umringt von Zeichen, und die Zeichen sprachen gegen mich. Die Zeichen lösten sich von ihren Dingen. Tränen waren nicht länger ein Zeichen für Weinen. Rauch war nicht länger ein Zeichen für Feuer. Träume waren nicht länger ein Zeichen der Nacht. Ich begann Uhren zu kaufen. Ich konnte nicht genug Uhren kriegen. Ich kaufte Armbanduhren, Taschenuhren, Stoppuhren, alle Arten von Uhren. Ich besuchte Gebrauchtwarenläden und kaufte Uhren, die noch vor meiner Geburt stehen geblieben waren. Ich holte die alten Uhren meines Vaters hervor, Omega, Certina, Longines, bescheidene, robuste Uhren mit Lederriemen, die scharf nach Kindheit und Familie rochen. Ich suchte nach Uhren mit Sekundenzeigern. Ich dachte an das Gedicht, das ich geschrieben hatte, mein erstes Gedicht, Zwischenzeit. Die Uhren vom Dram mensveien, dieses Gedicht ging jetzt in Erfüllung. Und wenn alles, was ich geschrieben hatte, in Erfüllung ginge, was dann? Es wäre nicht auszuhalten. Es kam so weit, dass ich
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