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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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allem die Uhr. Lassen sie die nur aus Jux hängen?«
    »Es kostet Geld, den ganzen Müll loszuwerden.«
    Frank lachte.
    »Abreißen ist teurer als bauen. Scheiße, ich werde ihnen einen Gefallen tun. Ich werde die Uhr ein für allemal anhalten.«
    Steve kletterte auf eine Kiste und zog und zerrte an dem alten, massakrierten Uhrwerk. Es war ein hartnäckiges Uhrwerk, und er wurde immer wütender. Schließlich bekam er eine Latte zu fassen, mit der er zuschlug, und irgendwann löste sich Karmacks verschwundene Blütezeit von der Wand. Die Reste warf Steve auf die Schienen.
    »Verdammt, warum hast du das gemacht?«
    Frank zündete sich eine Zigarette an.
    »Was?«
    »Sie runtergeholt. Das kann ein Unglück verursachen.«
    »Ein Unglück? Glaubst du, der Amtrak entgleist, wenn er auf einen Sekundenzeiger trifft?«
    »Trotzdem ist es nicht richtig.«
    »Du siehst überall Unfälle, Frank. Aber das ist es ja auch, wovon du lebst, nicht wahr?«
    Das wollte Frank nicht auf sich sitzen lassen. Er sprang auf die Gleise und warf den Schrott auf der anderen Seite ins Gras. Dann blieb er einen Moment lang stehen und horchte. Er konnte nichts hören, aber er konnte es spüren, ganz leicht, dieses Vibrieren in den Schienen, der Nachtzug, noch weit entfernt, denn es war noch Tag, dieser Gesang, der früher ein gutes Warnzeichen gewesen war, jetzt aber ein schlechtes, nur noch eine schlechte Neuigkeit, oder gar keine Neuigkeit, denn der Zug hielt in Karmack nicht mehr an.
    Doch die Bar hieß zumindest immer noch Railway Rest. Die alten Zugfahrpläne hingen noch an der Eingangstür und erinnerten die Gäste an alles, was vorbei war, also an so ziemlich alles. Steve hätte auch sie gern heruntergerissen, ließ es aber sein. Die Jukebox in der Ecke war seit Jahr und Tag nicht mehr benutzt worden. Hier hatten die alten Schlager ihr Haltbarkeitsdatum überschritten. Ganz hinten standen ein paar krummgebeugte, jammernde Männer um den Billardtisch, der verwelkte, grüne Schatten auf ihre Gesichter warf, als würden sie bald überwuchert werden. Einer rief: Frank Farrelli ist hier, um nach Unfällen Ausschau zu halten! Die Männer prosteten sich zu. Und in der Ecke saß Mrs Stout mit einem blauen Drink. Sie sollte nicht hier sein, dachte Frank und wollte umkehren, doch Steve hielt ihn zurück. Scheiß auf diese Versager, sagte er. Sie stellten sich an den Bartresen. Steve wollte ein großes und ein kleines Glas, Whisky in das große und Bier in das kleine. Frank trank Canada Dry.
    »Erinnerst du dich noch, was sie uns einreden wollten, als wir Kinder waren?«, fragte Steve.
    »Sie wollten uns eine ganze Menge einreden.«
    »Wenn du artig bist, dann kommst du nach dem Tod nach Solvang.«
    »Und wenn du böse bist, dann bleibst du in Karmack.«
    Steve leerte eines der Gläser, bestellte ein neues und wandte sich wieder Frank zu.
    »Du hast das geglaubt.«
    »Ach Quatsch.«
    »Doch, das hast du.«
    »Red keinen Quatsch. Hör auf zu behaupten, ich hätte diesen Blödsinn geglaubt.«
    »Kopenhagener im Himmel, Frank. Das ist bald das Einzige, was wir uns noch erhoffen können.«
    Sie mussten beide schmunzeln. Eigentlich war es ganz schön, zusammen am Tresen zu sitzen und sich zu unterhalten. Nicht, dass sie wirklich etwas Neues sagten, das taten sie selten. Es war auch nicht so, dass sie über all das redeten, was früher einmal passiert war, aber über die Zukunft gab es nicht viel zu sagen, also war es unmöglich, sich nicht zu wiederholen. Allerdings hatte Frank jetzt wieder einen Job und musste bitte schön sehr wohl nach vorn schauen. Vielleicht spürte er aus diesem Grund tief in seinem Inneren, dass er des Kumpels ein wenig überdrüssig wurde, denn der trat ja auf der Stelle, während Frank direkten Kurs auf den Rest des Lebens nahm. Aber schön war es dennoch. Steve bestellte eine neue Runde und nickte Richtung Mrs Stout.
    »Was meinst du, soll ich der Dame einen Drink spendieren?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Frank senkte seine Stimme.
    »Weil sie gerade Witwe geworden ist.«
    »Na, dann erst recht.«
    »Scheiße, Steve, das ist nicht witzig. Außerdem hat sie auch noch ihren Sohn verloren.«
    »Das ist schon schlimmer.«
    »Und ich war derjenige, der es ihr sagen musste. Es war nicht leicht.«
    »Hast du nicht gesagt, dass du der Schweigepflicht unterliegst?«
    »Und deshalb sage ich auch nicht mehr. Aber es war nicht leicht. Das sage ich dir.«
    Frank seufzte tief und verbarg sein Gesicht in den Händen. Steve holte ein Päckchen

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