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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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unsere Jukebox kaputt, du Idiot?«
    »Du hast doch gehört, was die Dame gesagt hat, Pickelgesicht. Du belästigst uns.«
    »Wenn du noch einmal zutrittst, dann …«
    »Was dann, Pickelgesicht?«
    Die Zeit hatte einen Fehlstart und war bereits im nächsten Augenblick gelandet. Steve konnte den Schlag, der kam, kaum sehen, und eigentlich war es auch egal, denn er hätte so oder so nichts machen können. Als Einziges hätte er am Tresen sitzen bleiben und nie zu der abgestellten Jukebox gehen und auch nie fragen sollen, welchen Song Mrs Stout hören wollte, aber an so etwas zu denken, dazu war es zu spät. Steves Nasenbein knackte, und die ganze Chose wurde gegen die Wange gedrückt. Frank, der mindestens zwei Meter entfernt saß, konnte es deutlich hören, dieses unsaubere Geräusch, als wenn man einen Sack mit Kies zusammendrückt. Doch der Schlag war nicht das Schlimmste. Steve ging zwar geradewegs zu Boden, doch auf dem Weg dorthin schlug sein Hinterkopf gegen die Kante der Jukebox, was offenbar den Ausschlag gab. Als er auf dem Linoleum angekommen war, blieb er liegen und stand nie wieder auf. Natürlich glaubten alle, dass er nach einer Weile wieder auf die Beine kommen und irgendeinen schlechten Witz erzählen würde, zum Beispiel den vom Mond, doch dem war nicht so. Steve Miller erzählte keine Witze mehr. Seine Augen waren weit aufgerissen und leer wie Murmeln. Er blutete immer noch aus der Nase, die nur noch ein einziger Brei war, übers ganze Gesicht verrieben. Frank hockte sich neben ihn und legte ihm die Hand unter den Nacken. Auch aus seinem Mund sickerte Blut, kleine Bläschen in den Mundwinkeln, als läge er da und versuchte einen Luftballon aufzublasen.
    »Steve«, flüsterte Frank. »Steve!«, rief Frank.
    Aber Steve war außer Reichweite. Bob Spencer saß auf einem Stuhl und wiederholte ein ums andere Mal, dass er das nicht gewollt hatte. »Das ist nicht meine Schuld, das ist nicht meine Schuld«, jammerte er wie ein Rotzbengel, bis ihn jemand bat, endlich die Schnauze zu halten. Der Barkeeper hatte keine andere Wahl, er musste das Krankenhaus anrufen, und eine Viertelstunde später kam der Krankenwagen mit dem Sheriff im Schlepptau. Zwei Krankenpfleger kümmerten sich um Steve, fummelten einen Stützkragen an Ort und Stelle und hoben ihn auf eine Trage. Der Sheriff zog Frank zur Seite.
    »Ich hoffe, du hast nichts damit zu tun.«
    »Mein Freund liegt da, und das hätte auch ich sein können.«
    »Okay, Frank. Immer mit der Ruhe. Was ist passiert?«
    »Der Drecksack da hat zugeschlagen.«
    Frank zeigte auf den Stuhl, auf dem Bob Spencer immer noch saß, das vernarbte und verbeulte Gesicht in den Händen.
    »Stadtbekannt«, sagte der Sheriff.
    »Ja, wer ist das nicht.«
    Der Sheriff schaute Frank an.
    »Übrigens hat jemand die Bahnhofsuhr runtergerissen. Weißt du was darüber?«
    »Steve wollte sie nur stellen.«
    »Versuch nicht witzig zu sein, Farrelli. Denn das bist du nicht.«
    »Tut mir leid, Sir. Das war nicht meine Absicht. Aber die Uhr steht doch schon seit hundert Jahren, und außerdem war ich derjenige, der den Schrott von den Schienen geräumt hat, nachdem Steve …«
    Der Sheriff unterbrach ihn.
    »Die Uhr ist mir scheißegal. Ich will nur wissen, ob Steve heute Abend wütend war.«
    »Wer ist das nicht«, sagte Frank.
    Der Sheriff sprach mit den anderen Gästen, dieser schäbigen Bande, die plötzlich alle wie ein Mann grauen Star bekommen hatten. Natürlich hatte niemand etwas gesehen, bis Steve der Länge nach vor der Jukebox lag. Es war wie immer. Niemand sieht etwas. Der Barkeeper hatte auch Probleme mit den Augen und war nicht gerade von Nutzen. »Doch, es gab wohl ein Handgemenge, und Steve ist ausgezählt worden, aber er hatte ja auch mit dem Ärger angefangen.«
    »Mit dem Ärger angefangen?«
    Der Barkeeper zuckte mit den Schultern. »Steve hat ein bisschen gegen die Jukebox getreten«, sagte er, »hat wohl geglaubt, das würde helfen.« Er schenkte dem Sheriff eine Tasse Kaffee ein. »Sie waren wohl beide schuld, so ist es ja meistens, wenn zwei zusammenstoßen.« Der Sheriff bedankte sich für Kaffee und Philosophie und ging zu Bob Spencer, der seine Unschuld beteuerte, bevor jemand etwas gesagt hatte. Außerdem hatte er gar nicht hart zugeschlagen. Er hatte früher schon härter zugeschlagen, ohne dass jemand in die Knie gegangen war. Wessen Schuld war das nun? Die Schuld der Jukebox. Der Sheriff hatte es so unendlich satt. Hatte etwa die Jukebox zugeschlagen? Er sehnte

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