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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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ein Glas Milch. Es kam vor, dass sie sich unterhielten, über das Wetter, über die Züge, die an dem stillgelegten Bahnhof vorbeifuhren, über das Schild mit der Anzahl der Einwohner, die seit 1963 die gleiche geblieben war. Und auch noch an dem Tag, wenn nicht eine lebende Seele mehr in Karmack wäre, würde das Schild immer noch dort stehen. Klopf auf Holz, sagte Blenda. Frank stellte fest, dass er Blenda mochte. Sie war geradeheraus und direkt. Und es schien nicht so, als hätte sie viel an ihm auszusetzen. Frank blieb jedoch mit beiden Beinen fest auf dem Boden und nahm nichts als gegeben hin. Um vier Uhr fuhr er nach Hause. Aber da Unfälle keine feste Bürozeit hatten, musste er darauf vorbereitet sein, jederzeit und auf Abruf auszurücken. Deshalb trug er immer den schwarzen Anzug und war im Grunde genommen Tag und Nacht im Dienst. Womit er nicht unzufrieden war. Im Gegenteil, es war eine Befreiung. Wenn seine Mutter ihn bat, den jämmerlichen Rasen zu mähen oder die verdammte Dachrinne zu reparieren, brauchte er ihr nur zu sagen, dass er beschäftigt sei. Er durfte nicht gestört werden. Doch die Unfälle ließen auf sich warten. Du hattest mehr zu tun, als du noch arbeitslos warst, schnaubte seine Mutter.
    Am Samstagabend, dem letzten im September, geschah dann doch etwas, was nicht hätte geschehen dürfen. Frank hatte Steve zum Essen eingeladen. Sie saßen im Wohnzimmer und aßen etwas, das Franks Mutter zusammengerührt hatte, sie behauptete, es wäre Hasenfleisch. Steve sagte, es schmecke gut. Steve fand immer, dass alles gut schmeckte. Er war beim Essen nicht anspruchsvoll. Er war auch was das Leben betraf nicht anspruchsvoll. Franks Mutter mochte Steve, auch wenn er das Bier direkt aus der Flasche trank und ziemlich unachtsam war.
    »Wie läuft es mit deinem neuen Job?«, fragte er.
    »Ruhig«, sagte Frank.
    »Ist das nicht gut?«
    »Gut? Dass es ruhig ist?«
    »Dass keine Unfälle passieren, meine ich.«
    »Doch, so kann man es natürlich auch sehen.«
    »Hast du ein eigenes Büro und so?«
    »Ja, das habe ich. Ein eigenes Büro. Und eine Sekretärin.«
    »Eine Sekretärin? Du machst Witze, oder?«
    »Ich mache keine Witze, Steve. Sie heißt Blenda Johnson. Bringt mir mittags was zu essen, gießt die Blumen, ordnet alle Protokolle und Termine. Ohne sie würde ich nicht klarkommen.«
    Jetzt sah ihn seine Mutter auch an.
    »Davon hast du mir gar nichts erzählt, Frank.«
    »Und du hast nicht danach gefragt.«
    Steve leerte seine Flasche und bohrte weiter.
    »Aber was machst du eigentlich, Frank?«
    »Darüber darf ich nicht sprechen.«
    »Nun sei nicht albern, Frank.«
    »Ich darf leider darüber nicht sprechen«, wiederholte er.
    »Warum nicht?«
    »Weil ich der Schweigepflicht unterliege, Steve.«
    »Mir sagt er auch nichts«, erklärte die Mutter. »Und dann läuft er auch zu Hause in dem schwarzen Anzug rum.«
    Steve öffnete eine neue Flasche.
    »Na, ein bisschen kannst du doch wohl erzählen.«
    Frank seufzte.
    »Wollt ihr, dass ich im Gefängnis lande? Ich habe unterschrieben, dass ich nichts verraten werde.«
    »Verdammt, hier sitzen doch nur dein Freund und deine Mutter!«
    »Glaubt ihr etwa, ich riskiere zwei Jahre Gefängnis, nur weil du mein Freund bist und meine Mutter meine Mutter ist?«
    »Bist du jetzt ein großes Tier geworden, Frank?«
    »Er hat auch eigene Visitenkarten«, sagte seine Mutter.
    »Zeig mal«, sagte Steve.
    Frank ließ sich bitten, bis er schließlich eine Visitenkarte zeigte. Steve war beeindruckt.
    »Du kannst sie gern behalten«, sagte Frank.
    Steve schüttelte den Kopf.
    »Nein, danke. Ich weiß ja, wo ich dich finde. Außerdem brauche ich keinen Übermittler.«
    »Alle brauchen irgendwann einen Übermittler«, sagte Frank.
    Als sie mit dem Essen fertig waren und auch Mark versorgt worden war, schlenderten Frank und Steve hinunter zur Bar hinter dem Bahnhofsgebäude, das aussah wie ein Gespensterhaus mit zerbrochenen Scheiben, in deren Rahmen schwarze Vögel hockten und zwischen den Glasscherben schrien. Der ganze Mist war ein riesiger Vogelkäfig geworden. Die alten Landstreicher erklärten gern, dass Gott zum nächsten Bahnhof gezogen war, weil die Züge hier nicht mehr anhielten. Die Uhr über dem Bahnsteig hing wie ein schlechtes Gewissen da, nur noch Glasscherben und abgebrochene Zeiger. Steve blieb stehen und zeigte hinauf.
    »Diese Uhr macht mich wütend«, sagte er.
    Frank blieb auch stehen.
    »Wäre besser, den ganzen Mist abzureißen.«
    »Ja, aber vor

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