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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Tisches setzten, Frank aufs Sofa, sie auf einen einfachen Holzsprossenstuhl. Die Gardinen waren vorgezogen. Es brannte keine Lampe. Aber auf einer Kommode brannte eine Kerze unter einem Foto von Mr Stout und dem, der ihr Sohn sein musste, Jimmy. Er zeigte stolz einen ziemlich großen Fisch in die Kamera, ein riesiges Biest, mit hoher Rückenflosse und einem beeindruckenden Maul. Im Hintergrund konnte man den Snake River erkennen.
    »Was ist mit meinem Mann?«, fragte Mrs Stout.
    »Er ist tot.«
    »Henry ist nicht tot.«
    »Doch, das ist er, Mrs Stout.«
    Sie blieben eine Weile schweigend zusammen sitzen. Frank hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Er konnte doch nicht noch einmal sagen, dass Mr Stout tot war. Und Mrs Stout war ihm auch keine große Hilfe. Er zeigte auf die Kerze und das Foto.
    »Forelle?«
    »Streifenbarsch.«
    »Streifenbarsch?«
    »Wolfsbarsch.«
    »Mein Vater hat ihn immer Wrackbarsch genannt.«
    Mrs Stout sah ihn an, und ihm war klar, dass er das nicht hätte sagen sollen, und ihm war auch klar, dass er jedes Mal, wenn er etwas sagen wollte, ebenso gut schweigen konnte.
    »Die Wolfsbarsche schmecken gut, ganz gleich, wie sie nun heißen«, sagte sie.
    »Haben die beiden jemals im Meer gefischt?«
    »Nein. So weit sind sie nie gekommen. Und Sie?«
    Frank schüttelte den Kopf.
    »Aber der Fluss ist ja gewissermaßen ein Teil des Meeres. Zumindest fließt er ins Meer.«
    Frank faltete die Hände auf den Knien. Er musste dieses Gespräch wieder in die richtige Spur bringen. Mrs Stout kam ihm zuvor. Sie erschien verwirrt und fing wieder von vorn an.
    »Tot? Willst du mir sagen, dass Henry tot ist?«
    »Deshalb bin ich hier, Mrs Stout. Um Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Mann, Mr Henry Stout, tot ist. Er ist gestern gestorben. Im Friseursalon. Sie sollen wissen, dass meine Gedanken bei Ihnen sind.«
    »Und wie? War es das Herz? Er hat in letzter Zeit über Schmerzen in der Brust geklagt.«
    »Es ist immer das Herz«, sagte Frank leise.
    »Wie meinst du das?«
    »Es ist durch die eigene Hand gestorben, Mrs Stout. Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.«
    Sie schaute nach unten, ballte die Fäuste, und es schien, als bekäme ihre zarte, glatte Haut Risse und tiefe, graue Falten kamen zum Vorschein. Er war es, Frank, der diese Zeichen setzte, das wurde ihm in diesem Moment klar. Er veränderte die Menschen. Es war seine Berufung, er sollte die Menschen verändern.
    »Wie hat er es getan?«, flüsterte sie.
    »Genügt es nicht zu wissen, dass er durch die eigene Hand gestorben ist?«
    »Nein. Das genügt nicht. Ich möchte nicht den Rest meines Lebens darüber grübeln, wie er das gemacht hat.«
    »Was hilft es, das zu wissen?«
    »Was es hilft? Gibt es überhaupt etwas, das hilft?«
    »Sich zu versöhnen.«
    »Womit?«
    »Mit dem Leben, nehme ich an.«
    »Ich dachte, es wäre der Tod, mit dem wir uns versöhnen müssen.«
    »Zuerst mit dem Leben«, sagte Frank. »Das Leben kommt immer zuerst.«
    »Du bist ein kluger Mann.«
    Frank schaute zu Boden.
    »Ich weiß, wovon ich rede«, sagte er leise.
    »Wieso?«
    »Ich habe meinen Vater verloren, als ich dreizehn war. Durch einen Unfall. Einen schrecklichen Unfall.«
    »Du Ärmster.«
    »Ja. Und ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Ich war dabei, als es passierte.«
    »Wie ist es passiert?«
    Für einen Moment schwieg Frank, aber nicht lange.
    »Das brauchen Sie nicht zu wissen. Weil nämlich …«
    Mrs Stout beugte sich vor.
    »Sag es, Frank. Es tut dir sicher gut, es zu sagen.«
    »Er ist von der Leiter gefallen. Als er die Regenrinne reparieren wollte. Und ist auf eine Sense aufgeschlagen, die im Gras lag. Sein Kopf wurde gespalten. Es war …«
    Frank war nicht in der Lage weiterzusprechen. Er wurde von seinen eigenen Worten überwältigt und spürte, wie die Hitze, diese Hitze, die er liebte, sich in seinem Körper ausbreitete und ihn gleichzeitig matt und stark machte.
    »Du Ärmster«, wiederholte Mrs Stout.
    »Ja. Danke. Sie verstehen, wie das ist.«
    »Und jetzt kannst du mir erzählen, wie mein Mann es gemacht hat.«
    Frank schaute auf. Sie beugte sich immer noch über den Tisch.
    »Ich glaube nicht, dass Sie das wirklich wissen wollen, Mrs Stout.«
    »Du kannst doch gar nicht wissen, was ich wissen will. Du weißt gar nichts über mich. Er hat das Rasiermesser genommen, nicht wahr?«
    »Er hat sich erhängt.«
    »Im Friseursalon?«
    »Ja.«
    »Da gibt es nichts, womit man sich erhängen kann. Doch. Die Gardinen.«
    »Der Lederriemen, Mrs

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