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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Durch eine hölzerne Pendeltür gelangte Luke in eine dämmrige Halle, in der auf einem abgenutzten Perserteppich ein antiker runder Couchtisch mit zwei dazu passenden kleinen Sesseln stand. Durch ein Mosaikfenster auf halber Treppe fiel buntes Licht in den Raum und brach sich auf dem Parkett und den mit dunklen Holzpaneelen verkleideten Wänden.
    Eine offene Tür auf der linken Seite gab den Blick in einen Frühstücksraum frei. Auf den drei Tischen lagen blitzweiß gestärkte Decken. Jeder war mit einem Strauß blasser Rosen geschmückt. Auf einer antiken Anrichte mit einem verbeulten silbernen Samowar waren eine Auswahl an Tees und ein reichhaltiges Angebot an Cornflakes, Haferflocken, Müslis, Trockenobst und Nüssen in durchsichtigen Vorratsdosen aufgereiht.
    »Hallo?«
    Luke hörte das Blut in seinem Kopf brausen. Er verspürte einen unangenehmen Druck hinter der Stirn und atmete tief ein und aus. Er konnte sich jetzt keine Migräne leisten.
    Ein feines Geräusch von der Rezeption her ließ ihn aufhorchen.
    Als er die Schwingtür aufstieß, sah er sich einer alten Frau gegenüber, die ihn zittrig anlächelte.
    »Meine Tochter ist im Garten«, sagte sie.
    »Ich wollte mich nur erkundigen, ob Sie noch ein Zimmer frei haben«, sagte Luke, und als sie die Hand hinters Ohr legte und ihn fragend anschaute, wiederholte er seine Frage lauter.
    »Ich hole sie«, versprach die alte Dame mit ihrem Greisenlächeln und verschwand durch eine Tür hinter der Holztheke.
    Luke fragte sich, ob es eine gute Idee war, in einem Haus einzuchecken, in das Hinz und Kunz ungehindert hereinspazieren konnten. Nachdenklich betrachtete er die Wand hinter dem Telefon, an der lauter Ansichtskarten angepinnt waren, auf denen sich Gäste für den angenehmen Aufenthalt und die außergewöhnliche Gastfreundschaft bedankten.
    Eine Uhr schlug fünfmal.
    Luke fühlte sich um Jahrzehnte zurückversetzt. Der Geruch nach altem Holz, Möbelpolitur und Teppichstaub juckte ihn in der Nase, aber er mochte ihn. Er war wie etwas, an dem er sich festhalten konnte, etwas, das einen schützenden Zauber ausübte.
    Die grauhaarige Frau, die schließlich vor ihm stand, musterte ihn unverhohlen. Ihr Gesicht war wettergegerbt und unter ihren kurzen, kräftigen Fingernägeln saß frischer Schmutz von der Gartenarbeit.
    »Wir sind leider belegt«, erklärte sie ihm und zog die Stirn in Falten.
    Etwas an der Art, wie sie das sagte, ließ Luke abwartend stehen bleiben.
    »Allerdings könnte es sein, dass meine Nichte …«
    Nachdenklich kratzte sie sich am Hals, wo sich ein Insektenstich böse entzündet hatte.
    »Sie wohnt vier Häuser weiter und vermietet ein kleines Ferienapartment. Frühstücken könnten Sie, wenn Sie mögen, hier bei uns …«
    Fünf Minuten später besichtigte Luke ein modernes, sparsam möbliertes Apartment mit fröhlichem Blümchenbettzeug und einer kleinen, hellen Küchenzeile. Es lag unterm Dach und war von außen über eine nachträglich angebaute, leichte Treppe aus Aluminium zu erreichen.
    Das gab den Ausschlag.
    Er drehte sich zu der jungen Frau um, die ein kleines Mädchen an der Hand hielt, das offenbar noch nicht allein laufen konnte. Wacklig hing es an der Hand seiner Mutter, starrte Luke mit runden Augen an und nuckelte konzentriert an einem pinkfarbenen Schnuller.
    »Ich nehme es.«
    Die junge Frau lachte ihn offen und freundlich an.
    »Für wie lange?«
    »Das weiß ich noch nicht. Vielleicht muss ich schon morgen weiter, vielleicht kann ich aber auch länger bleiben.«
    Er hoffte, die Unterkunft ein paar Tage behalten zu können. Er brauchte einen Ort, um Ruhe zu finden.
    Das Mädchen spuckte den Schnuller aus. Weil er mit einem Band am Träger ihres Kleidchens befestigt war, fiel er nicht zu Boden, sondern baumelte vor ihrem Bauch.
    »Na du?«, fragte Luke lächelnd, weil die Kleine darauf zu warten schien, dass er sie ansprach, und kam sich augenblicklich wie ein Tölpel vor. Er hatte keinerlei Erfahrung im Umgang mit Kindern.
    Sie gab aufgeregte, fröhliche Laute von sich. Speichel rann ihr über das Kinn mit dem Grübchen.
    »Sie liebt es, wenn wir Gäste haben«, erklärte die Mutter und hievte das Kind auf ihre Hüfte. »Aber dass sie sich so sehr freut, ist ungewöhnlich.«
    Luke nahm den Schlüssel in Empfang und winkte dem kleinen Mädchen nach. Liebend gern hätte er ein ebenso normales Leben geführt wie diese Frau mit ihrer Tochter. Von draußen erklang das Brummen eines Rasenmähers. Wahrscheinlich nutzte ihr Mann den

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