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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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durchsuchte, die er bei seinem Maklerjob tragen musste.
    »Welche Geheimnisse?«
    Merle hatte recht. Alles, was sich in diesem Zimmer befand, war absolut neutral und hätte irgend wem gehören können. Nichts davon deutete konkret auf Luke hin.
    Nach zwanzig Minuten intensiver Suche sahen wir uns ratlos an. Wir hatten nichts gefunden, mit dem sich etwas anfangen ließ. Keine Notizen, keine Briefe, keine an den Rand der Bücher gekritzelten Anmerkungen.
    Nichts.
    Ich hatte mich mit dem Regal beschäftigt und gehofft, von den vorhandenen Büchern auf Lukes Neigungen schließen zu können.
    Es war mir nicht gelungen.
    Ein paar Krimis (darunter auch einige von meiner Mutter, die sie ihm wohl geschenkt hatte, denn sie hatte Widmungen hineingeschrieben), ein paar Klassiker, ein paar Fachbücher für sein Studium. Aber keine klare Linie, kein Thema, auf das er sich spezialisiert hätte.
    Die meisten Bücher waren wie neu. Sie waren nicht abgegriffen, nicht zerlesen, hatten keine Eselsohren und keine Macken. Auch die Möbel standen da, als hätte Luke sie kaum benutzt.
    Hier war nichts Lebendiges.
    Außer der Handschrift meiner Mutter.
    Wie anders dagegen wirkte Alberts Zimmer. Auf der Fensterbank eine prächtige Zimmerlinde und ein robuster Drachenbaum, daneben Windlichter und einige Modellautos, die Albert offenbar sammelte. An den Wänden Kunstdrucke und Fotografien. Der Schreibtisch voller Bücher, Zettel und Krimskrams.
    Alberts PC fehlte. Den würde die Polizei wohl gründlich unter die Lupe nehmen. Der Monitor war einsam und verloren auf dem Computertisch zurückgeblieben.
    Das Bett war nicht gemacht. Auf einem knallroten Hocker, der als Nachttisch fungierte, stand eine Leselampe neben einem Stapel zerfledderter Comics. Auf dem Kopfkissen lag, geöffnet und mit den Seiten nach unten, ein Buch über James Dean.
    Am Kopfende des Betts klebten Fotos von einem lachenden blonden Mädchen und einem sympathisch aussehenden Jungen, der vermutlich Albert war, wenn er auch mit dem toten Albert in meiner Erinnerung kaum Ähnlichkeit hatte. Schnappschüsse, wie Verliebte sie machen, witzige, alberne, zärtliche Momentaufnahmen einer glückseligen Ausschließlichkeit, die beiden aus den Augen strahlte.
    Und jetzt war Albert tot und auch in dem Mädchen war etwas gestorben. Nie wieder würde ihr Lachen dieses Leuchten haben.
    Wir gingen noch einmal durch die Räume und ließen den Strahl unserer Taschenlampen über Boden, Wände und Gegenstände wandern. Einzig das Badezimmer sparten wir aus.
    Meine Hoffnung, mir Lukes Verschwinden erklären zu können, war in sich zusammengefallen. Sein Zimmer hatte keine meiner Fragen beantwortet. Es hatte nur neue aufgeworfen.
    Warum war er verschwunden?
    Was hatte er mit Alberts Tod zu tun?
    Welche Verbindung hatte es zu diesem Freund gegeben, der so vollkommen anders gewesen war als er?
    Wo befand Luke sich in diesem Augenblick?
    Wie konnte ich ihn finden?
    Und vor allem: WER WAR ER , der Luke, den ich zu kennen geglaubt hatte?
    »Komm«, flüsterte Merle. »Wir müssen uns was anderes einfallen lassen.«
    Sie sagte das im richtigen Moment. Keine Sekunde länger hielt ich es in dieser Wohnung aus, in der noch immer der Tod zu spüren war. Eilig folgte ich meiner Freundin ins Treppenhaus.
    Dann standen wir in der Nacht und zogen die Handschuhe aus. Das Floppen, mit dem sie uns von den Fingern sprangen, löste ein hysterisches Kichern bei mir aus, in das Merle nervös einfiel. Meine mühsam bewahrte Selbstbeherrschung geriet aus den Fugen. Darunter kam die nackte Angst hervor.
    *
    Bert war um sechs Uhr aufgewacht und hatte sämtliche Türen und Fenster aufgerissen, damit das Haus ein bisschen abkühlen konnte. Eine Weile hatte er im Garten in der Hängematte gelegen, den Vögeln zugehört und nachgedacht. Dann hatte er sich mit einem Kaffee auf die alte Schaukel gesetzt.
    Das Haus, die Terrasse, die Blumenbeete mit den Maulwurfshügeln, die Bäume.
    Stell dir vor, du sähest das alles zum ersten Mal.
    Er stellte fest, dass es hier nichts gab, auf das er nicht ebenso gut verzichten könnte. Nichts, an dem sein Herz hing.
    Ausgenommen die Schaukel, auf der er saß. Vielleicht. Und die rosafarbene Kletterrose, die in dornröschenhafter Üppigkeit zum Balkon hinauf- und am Geländer entlangrankte und angeblich aus Schottland stammte.
    Sein Kopf schmerzte. Er hatte am Abend eine ganze Flasche Wein geleert. Aber er fragte sich nicht, ob er ein Alkoholproblem hatte. Er fragte sich, wie er in eine Lage

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