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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Hunde wurden am Rand der Autobahnen festgebunden, Katzen in zugeklebten Kartons ausgesetzt, Krokodile, Schildkröten und Schlangen an Badeseen freigelassen.
    Die Auffangräume der Tierheime platzten aus allen Nähten, ebenso wie die Quarantänestationen. In der Hitze vermehrten sich Bakterien und Viren ungehemmt, Wunden schlossen sich langsamer, bei den älteren Tieren brach der Kreislauf zusammen.
    »Woran denkst du?«, fragte Jette.
    »Hmm.«
    Zu den Eigenschaften, die Merle an ihrer Freundin schätzte, gehörte auch Jettes Taktgefühl. Sie spürte, dass Merle nicht zum Reden zumute war, und hatte kein Problem damit, das zu akzeptieren. Schweigend legten sie den Rest der Fahrt zurück.
    Alice Morgenstern trug eine naturweiße Leinenhose und darüber ein honigfarbenes Top mit weitem Ausschnitt. Ihre hellen Schuhe bestanden lediglich aus einer dünnen Ledersohle mit zwei schmalen hellbraunen Riemchen. Die gepflegten Fußnägel waren im selben Rot lackiert wie die langen, extravagant gemusterten Fingernägel, die Merle schon bei der ersten Begegnung bewundern durfte. Eine zarte Goldkette war der einzige Schmuck, den Alice angelegt hatte.
    In ihrem klimatisierten Büro herrschte eine angenehme Temperatur. Als Schreibtisch diente eine große weiße Kunststoffplatte, die auf vier Chrombeinen lag. Davor stand ein schlichter weißer Ledersessel. Die linke Wand wurde von einem glänzenden weißen Aktenschrank eingenommen. Am Fenster umrahmten fünf rote Lederstühle einen runden Tisch aus milchigem Glas.
    An den Wänden hingen Edelfotografien von besonders schönen Häusern, die das Maklerbüro Kerres und Söhne vermittelt hatte. Das jeweilige Datum am Rand zeigte, wann das Geschäft getätigt worden war.
    Alice Morgenstern bot ihnen einen Platz am Glastisch an, verschwand in einem Nebenraum und kehrte mit einer Flasche Wasser und drei Gläsern zurück.
    »Habe ich das am Telefon richtig verstanden?«, kam sie ohne Umschweife zur Sache. »Lukes Mitbewohner ist ermordet worden?«
    Die Mädchen nickten.
    »Und nun ist Luke verschwunden?«
    »Ja«, sagte Merle.
    »Und Sie wollen ihn finden?«
    »Ja«, antwortete Jette.
    »Die Polizei verdächtigt ihn?«
    »Es spricht nicht gerade für ihn, dass er abgehauen ist«, sagte Merle.
    Alice Morgenstern lehnte sich zurück und schlug die schlanken Beine übereinander.
    »Luke mag ja ein Hallodri sein, aber er ist kein Mörder«, sagte sie ohne die Spur eines Zweifels, und brachte zugleich ihre Verärgerung darüber zum Ausdruck, dass Luke sich entgegen allen geschäftlichen Gepflogenheiten in eine Kundin verliebt hatte. »Was immer ihn dazu bewogen haben mag zu verschwinden, hat garantiert nichts damit zu tun, dass er seinen Freund umgebracht hätte.«
    »Haben Sie an Luke in letzter Zeit irgendeine Veränderung bemerkt?«, fragte Jette und ließ den Hallodri großzügig unter den Tisch fallen.
    Alice Morgenstern dachte intensiv nach und leerte dabei ihr Glas bis auf den letzten Tropfen. Sie behielt es in der Hand und fuhr mit der Fingerkuppe mehrmals beinah zärtlich über seinen Rand, als wollte sie das Glas zum Klingen bringen.
    »Ich habe ihn am … Moment …«
    Sie stand auf, ging zum Schreibtisch und blätterte in einem Kalender.
    »… am 21. Juli das letzte Mal gesehen. Das war ein Mittwoch. An dem Tag haben wir ein Millionenobjekt unter Dach und Fach gebracht. Die Kundin war eine Fabrikantenwitwe, die sich einen Kindheitstraum verwirklichen wollte, ein Chalet am Wasser, sehr elegant, sehr hochklassig. Luke hat seinen ganzen Charme spielen lassen. Das kann er ja gut. Damit wickelt er jede … oh.«
    Sie setzte sich wieder an den Tisch und wich betreten Jettes Blick aus.
    »Verzeihung. So habe ich das nicht gemeint.«
    »Das ist ja fast zwei Wochen her.«
    Jette ignorierte Alice Morgensterns Fauxpas völlig.
    »Wie kommt das? Ich dachte, er hat regelmäßig für Sie gearbeitet.«
    »Luke hatte in den vergangenen Wochen wenig Zeit, weil er sich auf seine Klausuren vorbereiten musste. Sie wissen ja, wie ernst er sein Studium nimmt.«
    Merle sah Jette an, dass sie keine Ahnung hatte, ob Luke ein Musterstudent oder das Gegenteil davon war. Sie sah auch, dass die Finger der Freundin sich unwillkürlich ineinander verkrampften.
    Jette stand unter Strom.
    »Wo ist denn sein Arbeitsplatz?«, fragte Merle, um abzulenken.
    »Er hat ein kleines Büro für sich«, erklärte Alice Morgenstern. »Insgesamt haben wir vier. Eins für den Chef, eins für den Juniorchef, eins für mich und eins

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