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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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schöne Lektüre, Nadia.«
    »Lass mich allein.«
    Langsam und widerstrebend verließ er den Raum.
    Ich zögerte einen Moment, bevor ich die erste Akte aufschlug, ja überhaupt berührte. Ich stand kurz davor, eine Tür zu öffnen und einen Raum zu betreten, und irgendwie würde hinterher alles anders sein. Ich würde anders sein.
    Ich schlug die Akte auf, und da war sie. Ein Schnappschuss, der auf ein Blatt Papier geklebt war. Zoë Haratounian, geboren am 11. Februar 1976. Ich sah mir die Aufnahme genauer an. Offenbar handelte es sich um ein Urlaubsfoto. Zoë saß auf einer niedrigen Mauer, und hinter ihr strahlte ein tiefblauer Himmel. Das grelle Sonnenlicht ließ sie die Augen leicht zusammenkneifen.
    (Sie hatte eine Sonnenbrille in der Hand und schien lachend mit der Person zu sprechen, die das Foto machte.) Sie trug eine grüne Weste und weite schwarze Shorts. Das blonde Haar reichte ihr bis zur Schulter. War sie hübsch?
    Schwer zu sagen. Auf jeden Fall sah sie nett aus. Es war ein fröhliches Bild, das eigentlich an der Korkwand in einer Küche hätte hängen sollen, neben der Einkaufsliste und der Karte mit der Nummer des nächst gelegenen Taxiunternehmens.
    An das Blatt mit dem Foto schlossen sich mehrere maschinengeschriebene Seiten an. Das war es, worauf ich gehofft hatte: Namen, Adressen und Telefonnummern, unter anderem von Zoës Freund, ihren Freundinnen, ihrem Arbeitgeber, außerdem Querverweise auf andere Akten.
    Ich hatte ein Notizbuch bereit liegen. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass Cameron mich nicht sehen konnte, notierte ich rasch ein paar Namen und Nummern.
    Dann blätterte ich den Rest der Akte durch. Da war noch ein weiteres Foto, eine Schwarzweißaufnahme, die aussah, als wäre sie für eine Art von Ausweis gemacht worden. Ja, Zoë war hübsch. Bereits auf dem anderen Foto hatte ich gesehen, dass sie schlank war, aber noch das leicht pausbäckige Gesicht eines jungen Mädchens hatte. Sie wirkte überhaupt sehr jung. Obwohl sie ein ernstes Gesicht machte, funkelte in ihren Augen eine Spur von Schalk. Ich fragte mich, was für eine Stimme sie wohl gehabt hatte. Ihr Name klang ausländisch, aber sie war in der Nähe von Nottingham geboren.
    Ich klappte die Akte zu und legte sie behutsam zur Seite.
    Nun zur zweiten. Jennifer Charlotte Hintlesham, 1961
    geboren, sah ganz anders aus als Zoë. Allerdings handelte es sich auch um ein viel formelleres, in einem Studio aufgenommenes Foto. Ich konnte es mir gut in einem silbernen Rahmen auf einer alten Kommode vorstellen.
    Jennifer war eine auffälligere Erscheinung als Zoë.
    Obwohl sie nicht wirklich schön war, hatte sie bestimmt viele Blicke auf sich gezogen. Sie besaß große dunkle Augen und markante Wangenknochen, die durch die lange, schmale Form ihres Gesichts noch betont wurden.
    Irgendwie hatte sie etwas Altmodisches an sich. Sie trug einen Pullover mit rundem Ausschnitt und dazu eine Kette aus kleinen Perlen. Ihr dunkelbraunes Haar glänzte. Sie erinnerte mich an eine von den unbedeutenderen britischen Schauspielerinnen aus den Fünfzigerjahren, die mit Beginn der Sechziger ein wenig in Vergessenheit gerieten.
    Zoë war mir viel jünger vorgekommen als ich. Bei Jennifer hatte ich das Gefühl, dass sie eine Generation älter war. Damit meine ich nicht, dass ihr Gesicht älter aussah als meines. Nein, sie wirkte einfach so erwachsen.
    Mit Zoë hätte ich mich wahrscheinlich gut verstanden.
    Dagegen war ich weniger sicher, ob ich Jennifers Typ gewesen wäre. Ich warf einen weiteren Blick in die Akte.
    Ehemann und drei Kinder, Namen und Alter. Was für eine Tragödie. Ich notierte mir ein paar Details.
    Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Ich nahm den Stapel, aus dem Cameron die beiden Akten gezogen hatte, etwas genauer in Augenschein. Wie ich vermutet hatte, gab es auch eine Akte mit meinem Namen.
    Als ich sie aufschlug, starrte mir ein Foto von mir selbst entgegen. Nadia Elizabeth Blake, geboren 1971. Ich schauderte. Vielleicht würde diese Akte in ein paar Wochen viel dicker sein, und es gäbe bereits eine neue zu einem weiteren Fall.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. Was um alles in der Welt sollte ich mir als Nächstes ansehen? Und was brachte mir das Ganze überhaupt, abgesehen davon, dass ich meine Neugier befriedigen konnte? Als ich elf Jahre alt war, ging ich immer in ein Schwimmbad, in dem es ein Fünfmeterbrett gab. Ich hatte mich nie getraut hinunterzuspringen, aber eines Tages stieg ich einfach die Stufen hinauf,

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