Der Sommermörder
Wohnung eingedrungen!« Carthy schnitt eine Grimasse. »Und ich werde mit diesen Briefen belästigt. Das ist doch wohl ein Tatbestand, oder etwa nicht?«
»Unter gewissen Umständen. Wir verstehen natürlich, dass Sie sich Sorgen machen«, antwortete er, »aber es ist in einem solchen Fall schwierig, konkrete Maßnahmen zu ergreifen.«
»Halten Sie diesen Menschen denn nicht für gefährlich?«
»Schwer zu sagen, Miss. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie in letzter Zeit noch eine Menge andere Post bekommen.«
Nachdem ich ein weiteres Mal über meinen kurzen Ruhm berichtet hatte, wechselten die beiden Beamten einen raschen Blick und lächelten.
»Die Geschichte mit der Melone?«, fragte Carthy. »Das war großartig! Wir haben den Zeitungsausschnitt mit dem Foto noch irgendwo hängen. Alle hier finden, dass Sie eine Heldin sind. Vielleicht könnten Sie noch zu ein paar Leuten hallo sagen, bevor Sie gehen? Aber zurück zu den Schreiben: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass sie unter die Kategorie Briefe fallen, die einem zwangsläufig ins Haus schneien, wenn man berühmt wird. Es gibt da draußen eine Menge trauriger Gestalten, für die so etwas die einzige Art der Kontaktaufnahme mit anderen Menschen darstellt.«
Ich verlor die Geduld. »Tut mir Leid, aber ich glaube nicht, dass Sie die Sache ernst genug nehmen. Der Kerl hat schließlich nicht nur Briefe geschrieben. Er war in meiner Wohnung.«
»Er war vielleicht in Ihrer Wohnung.« Carthy stieß einen langen, gequält klingenden Seufzer aus. »Also gut. Lassen Sie uns mal über ein paar Dinge nachdenken.« Er schwieg einen Augenblick. »Fangen wir mit Ihrer Wohnung an. Ist sie leicht zugänglich?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Es ist eine ganz normale, nachträglich ausgebaute Wohnung. Man betritt das Haus von der Holloway Road aus. An den Garten hinter dem Haus schließt der Hinterhof eines Pubs an.«
Carthy schrieb etwas auf einen großen Block, der auf seinen Knien lag. Ich konnte nicht sehen, ob er sich eine Notiz machte oder bloß herumkritzelte.
»Bekommen Sie in Ihrer Wohnung oft Besuch?«
»Wie meinen Sie das?«
»Einmal die Woche? Zweimal? Ich brauche natürlich nur eine durchschnittliche Zahl.«
»Das kann ich so nicht beantworten. Hin und wieder kommen Freunde vorbei. Ein paar von ihnen hatte ich letzte Woche auf einen Drink eingeladen. Außerdem habe ich einen neuen Freund. Er war in letzter Zeit ziemlich oft da.« Wieder kritzelte Carthy etwas aufs Papier. »Ach ja, und die Wohnung steht seit sechs Monaten zum Verkauf.«
Carthy zog eine Augenbraue hoch. »Heißt das, dass auch Leute da waren, um sich die Wohnung anzusehen?«
»Natürlich.«
»Wie viele?«
»Eine Menge. Die ganzen sechs Monate zusammengenommen, waren es bestimmt sechzig oder siebzig, vielleicht sogar noch mehr.«
»Waren darunter auch solche, die öfter als einmal gekommen sind?«
»Ein paar. Ich möchte natürlich, dass sie öfter kommen.«
»Gab es darunter Personen, die Ihnen irgendwie seltsam erschienen sind?«
Ich konnte mir ein grimmiges Lächeln nicht verkneifen.
»Ungefähr drei Viertel von ihnen. Wildfremde Menschen, die meine Schränke öffnen und in meinen Schubladen herumstöbern. Aber so ist das nun mal, wenn man versucht, seine Wohnung zu verkaufen.«
Carthy verzog keine Miene.
»Wenn man auf diese Weise belästigt wird, können dafür ganz unterschiedliche Motive vorliegen. In den meisten Fällen sind diese Motive privater Natur.« Er klang ein wenig verlegen. »Stört es Sie, wenn ich Ihnen ein paar persönliche Fragen stelle?«
»Nicht, wenn sie für die Sache relevant sind.«
»Sie haben von einem neuen Freund gesprochen. Wie lange sind Sie schon zusammen?«
»Erst seit kurzem. Zwei oder drei Wochen.«
»Bedeutet das, dass Sie deswegen eine andere Beziehung beendet haben?«
»Eigentlich nicht.«
»Wie darf ich das verstehen?«
»Ich hatte vorher keine wirkliche Beziehung.«
»Dann vielleicht eine, ähm, Liaison? Eine Affäre?«
»Na ja, so was in der Art.« Ich lief knallrot an.
»Haben Sie sich im Streit getrennt?«
»So war das nicht«, entgegnete ich. »Ich wollte damit bloß sagen, dass es im Lauf der Zeit hin und wieder mal einen Mann in meinem Leben gegeben hat.«
»Dann waren es also mehrere?« Carthy und Aldham wechselten einen bedeutungsvollen Blick.
»Nein, so kann man das auch nicht sagen.« Mittlerweile war ich ziemlich durcheinander. Ich wusste, was die beiden jetzt von mir dachten, und alles, was ich von
Weitere Kostenlose Bücher