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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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der Detective, der auf dem Revier mit mir redete, etwas von einem Erdkundelehrer, auch wenn er in seinem marineblauen Anzug, zu dem er eine gedeckte Krawatte trug, vielleicht eine Spur schicker wirkte als alle meine ehemaligen Geographielehrer. Er war groß und untersetzt, fast schon fett. Sein braunes Haar trug er kurz und exakt geschnitten. Er holte mich im Empfangsbereich ab und stellte sich als Detective Sergeant Aldham vor.
    Um uns Zutritt zum eigentlichen Polizeibereich zu verschaffen, musste er an der Tür einen Zahlencode eingeben. Beim ersten Mal vertippte er sich, sodass er die Prozedur etwas langsamer und leise fluchend wiederholen musste. Anschließend führte er mich nicht in einen Verhörraum oder etwas ähnlich Formelles, sondern an seinen Schreibtisch in einem Großraumbüro. Während ich seitlich davon Platz nahm, kam ich mir vor wie eine linkische Schülerin, die nach dem Unterricht noch zu einem Gespräch mit ihrem Lehrer erscheinen musste.
    Oder, in meinem Fall, vor dem Unterricht. Ich war gezwungen gewesen, Pauline anzurufen und ihr mitzuteilen, dass ich später kommen würde, worüber sie nicht gerade begeistert gewesen war. Der Zeitpunkt sei denkbar ungünstig, hatte sie gemeint.
    Aldham las die beiden Briefe sehr langsam und konzentriert, mit gerunzelter Stirn, während ich fünf Minuten lang nervös herumzappelte und mir die Leute ansah, die hereingeeilt kamen oder bereits an ihren Schreibtischen saßen und telefonierten.
    Am anderen Ende des Raums lachten ein paar Beamte über etwas, das ich nicht mitbekommen hatte. Aldham blickte auf.
    »Möchten Sie eine Tasse Tee?«
    »Nein, danke.«
    »Ich hole mir eine.«
    »Wenn das so ist, trinke ich eine mit.«
    »Möchten Sie einen Keks dazu?«
    »Nein, danke.«
    »Ich werde mir einen genehmigen.«
    »So früh am Morgen kann ich noch nichts essen.«
    Es dauerte ziemlich lang, bis er mit zwei Plastikbechern zurückkam. Offenbar waren sie so heiß, dass er sie kaum halten konnte. Nachdem er wieder Platz genommen hatte, tauchte er einen Keks in seinen Tee und biss vorsichtig ein Stück ab.
    »Also, wie denken Sie über die Sache?«, fragte er mich.
    »Wie ich darüber denke? Ist das nicht eher Ihr Job?«
    »Ich weiß nicht. Was stand in dem anderen Brief?«
    »Ich fand ihn ganz schrecklich, und deshalb habe ich ihn weggeworfen. Zum Teil stand ziemlich seltsames Zeug drin. Irgendwas darüber, was ich esse. Und etwas über die Angst vor dem Sterben. Es klang, als wäre er von jemandem, der mich genau beobachtet hatte.«
    »Oder von jemandem, der Sie kennt?«
    »Mich kennt?«
    »Es könnte sich um einen Scherz handeln. Wäre es nicht denkbar, dass sich ein Freund oder Bekannter einen Scherz mit Ihnen erlaubt?«
    Einen Moment lang war ich sprachlos. »Jemand hat damit gedroht, mich zu töten! Das finde ich nicht zum Lachen.«
    Aldham rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum.
    »Manche Leute haben einen seltsamen Sinn für Humor«, meinte er. Einen Moment lang schwiegen wir beide. Ich überlegte krampfhaft. Konnte es sein, dass ich mich irrte?
    Vielleicht machte ich wirklich zu viel Aufhebens um die Sache. »Warten Sie bitte hier auf mich«, sagte er schließlich. »Ich würde gern noch eine weitere Meinung einholen.«
    Er nahm eine Aktenmappe aus seinem Schreibtisch und steckte die beiden Briefe hinein. Bewaffnet mit der Mappe und seinem Tee, durchquerte er mit schweren Schritten den Raum und verschwand außer Sichtweite. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Wie lange würde das dauern? Lohnte es sich, dass ich meine eigenen Akten herausholte und an der Ecke von Aldhams Schreibtisch ein bisschen arbeitete? Irgendwie war mir nicht danach. Als Aldham schließlich zurückkehrte, wurde er von einem anderen Mann begleitet. Er war kleiner, dünner, bereits leicht ergraut und sah aus, als stünde er in der Hierarchie ein Stück höher als Aldham. Er stellte sich als Detective Inspector Carthy vor.
    »Ich hab mir Ihre Briefe angesehen, Miss … ähm …« Er murmelte etwas, das offensichtlich einen Versuch darstellte, meinen Namen auszusprechen. »Ich habe mir die Briefe angesehen, und Kollege Aldham hat mich über die Einzelheiten des Falls informiert. Es handelt sich zweifellos um recht üble Schmierereien.«
    Er sah sich einen Moment lang suchend um und zog dann von einem anderen Schreibtisch einen Stuhl heran.

    »Die Frage ist nun, womit wir es hier tatsächlich zu tun haben.«
    »Womit wir es zu tun haben? Jemand hat mich bedroht und ist in meine

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