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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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gerade einen Fußtritt verpasst hatte.
    »Was soll denn um Himmels willen das ganze Theater?«, protestierte ich. »Es ist doch nur ein dummer Brief. Auch nicht viel schlimmer als ein obszöner Anruf, oder?«
    Aldham spitzte plötzlich die Ohren. »Hat es bei Ihnen derartige Anrufe gegeben?«
    »Obszöne, meinen Sie? Nein.«
    »Fällt Ihnen irgendwas ein, was mit diesem Brief zusammenhängen könnte? Haben Sie vielleicht noch andere seltsame Briefe erhalten? Oder gibt es in Ihrem Bekanntenkreis jemanden, dem Sie so etwas zutrauen würden?«
    »Nein, natürlich nicht. Es sei denn, es handelt sich um einen dummen Streich.«
    »Fällt Ihnen jemand ein, der Ihnen unter Umständen einen solchen Streich spielen könnte?«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. »Witze und Streiche sind nicht so ganz mein Ding«, meinte ich. »Das fällt eher in Clives Ressort.«
    »Wer ist Clive?«
    »Mein Mann.«
    »Ist er in der Arbeit?«

    »Ja.«
    Ab da wurde es ziemlich peinlich. Aldham stand mit verlegener Miene herum. Ich versuchte, meine Sachen zu erledigen, aber seine düstere Miene verdarb mir jede Lust daran. Deswegen war ich ziemlich erleichtert, als es eine gute Viertelstunde nach Aldhams Eintreffen erneut an der Tür klingelte. Ich ging öffnen, und Aldham trottete auf etwas alberne Weise hinter mir her. Diesmal stand eine ganze Schar vor der Tür: in vorderster Front zwei wichtig aussehende Herren in Zivil und hinter ihnen zwei uniformierte Beamte, ein Mann und eine Frau. Zwei weitere Personen in Zivil, ebenfalls ein Mann und eine Frau, kamen gerade die Treppe herauf. Draußen auf der Straße parkten zwei Polizeiwagen und zwei andere Autos, alle in zweiter Reihe.
    Der ältere der beiden Männer, die die Gruppe anführten, hatte schütteres, sehr kurz geschnittenes graues Haar.
    »Mrs. Hintlesham?«, fragte er mit einem beruhigenden Lächeln. »Ich bin Detective Chief Inspector Links. Stuart Links.«
    Wir gaben uns die Hand. »Und das hier ist Detective Inspector Stadler.«
    Stadler sah überhaupt nicht aus wie ein Polizist, eher wie ein Politiker oder einer von Clives Kollegen. Er trug einen gut geschnittenen dunklen Anzug und eine dezente Krawatte. Irgendwie war er eine recht beeindruckende Erscheinung, mit einem südländischen, vermutlich spanischen Einschlag und einem ziemlichen Schlafzimmerblick. Er war groß, gut gebaut und hatte sehr dunkles, fast schwarzes Haar, das er nach hinten gekämmt trug. Wir gaben uns ebenfalls die Hand. Sein Händedruck war seltsam weich, und er presste dabei seine Finger gegen meine Handfläche, als versuchte er auf diese Weise etwas über mich herauszufinden. Er brachte mich damit richtig aus dem Konzept. Ich rechnete jeden Moment damit, dass er meine Finger an seine Lippen heben und sie sanft küssen würde.
    »Sie sind so viele«, sagte ich.
    »Tut mir Leid«, meinte Links. »Das hier ist Dr. Marsh von der Spurensicherung. Er hat seine Assistentin mitgebracht, Gill, ähm …«
    »Gill Carlson«, kam ihm die Frau zu Hilfe. Sie war ein hübsches kleines Ding, wenn auch auf eine ungestylte Weise. Dr. Marsh sah aus wie ein etwas verwahrloster Lehrer.
    »Sie fragen sich natürlich, warum so viele von uns gekommen sind«, sagte Links.
    »Na ja …«
    »Ein Brief, wie Sie ihn erhalten haben, stellt eine Art von Bedrohung dar. Wir müssen herausfinden, wie ernst die Sache ist, und bis dahin müssen wir für Ihre Sicherheit sorgen.«
    Links hatte mir in die Augen gesehen, während er das sagte. Nun aber wanderte sein Blick langsam zu Aldham hinüber, der gleich noch eine Spur verlegener dreinblickte.
    »Wir übernehmen die Sache«, erklärte der ältere Mann ruhig.
    Aldham murmelte etwas in meine Richtung – ich glaube, es war ein Abschiedsgruß – und schob sich dann an uns vorbei. Weg war er.
    »Warum ist er überhaupt gekommen?«, fragte ich.
    »Ein Missverständnis«, erklärte Links. Er sah sich um.
    »Sie sind erst vor kurzem hier eingezogen?«
    »Im Mai.«
    »Wir werden versuchen, Sie nicht allzu sehr zu stören, Mrs. Hintlesham. Ich würde gern den Brief sehen und Ihnen anschließend ein, zwei Fragen stellen. Ich hoffe, damit ist die Sache dann erledigt.«
    »Folgen Sie mir bitte nach unten«, sagte ich schwach.
    »Schönes Haus«, stellte er fest.
    »Vielleicht irgendwann mal«, antwortete ich.
    »War bestimmt nicht ganz billig.«
    »Na ja …« Ich wollte mich nicht auf eine Diskussion über Immobilienpreise einlassen.
    Ein paar Minuten später saß ich in meiner halbfertigen Küche

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