Der Sommermörder
herum, nahmen alles Mögliche in kleinen Schachteln und Plastiktüten mit, unterhielten sich im Flüsterton in irgendwelchen Ecken und sahen mich an, als wäre ich ein verwundetes Tier. Ich konnte nirgendwo hingehen, ohne einem von ihnen über den Weg zu laufen. Sie waren auf ihre Art sehr höflich, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass es im ganzen Haus praktisch keinen Ort gab, wo ich allein sein konnte.
Aufgebracht fügte ich hinzu: »Können Sie mir mal verraten, was Ihre Leute eigentlich tun, während ich mich hier abmühe und mir das Gehirn zermartere, um Ihnen zu helfen?«
»Ich versichere Ihnen, dass wir ebenfalls hart arbeiten«, erwiderte er. Bei näherer Betrachtung wirkte er tatsächlich ein bisschen müde.
Auf dem Weg nach oben kam mir ein Beamter entgegen, der gerade mit einem Stapel Papier nach unten ging. Ich flüchtete mich ins Bad, sperrte die Tür ab und lehnte mich einen Moment dagegen. Dann klatschte ich mir mit der unverletzten Hand Wasser ins Gesicht. Der Verband an der anderen war bereits von Blut durchtränkt. Ich setzte mich an meine Frisierkommode und versuchte unbeholfen, mit der linken Hand mein Make-up zu erneuern. Ich sah ein wenig mitgenommen aus, was in Anbetracht der Ereignisse ja nicht weiter verwunderlich war. Mein Haar hatte dringend eine Wäsche nötig. Bei dieser Hitze musste man sich fast jeden Tag den Kopf waschen. Ich übermalte die dunklen Ringe unter meinen Augen mit einem Abdeckstift und legte ein wenig Lippgloss auf. Allmählich ging mir die Sache ganz schön an die Nerven. Ich wünschte, Clive würde zurückrufen, damit ich endlich mit jemandem reden konnte, der nicht bei der Polizei war. Ich hatte ihn bereits über den Vorfall mit der Hand informiert.
Er war sehr geschockt gewesen und hatte darauf bestanden, Stadler zu sprechen, hatte ihn am Telefon mit aufgebrachten Fragen bombardiert, aber er war nicht mit einem Blumenstrauß zu mir nach Hause geeilt, wie ich insgeheim gehofft hatte.
Als Nächstes wollte Detective Inspector Stadler mit mir über die Details meines täglichen Lebens sprechen. Wir mussten uns ins Wohnzimmer zurückziehen, weil Mary den Küchenboden zu wischen begann.
»Wie geht es Ihrer Hand, Mrs. Hintlesham?«, fragte er mit seiner leisen, tiefen, drängenden Stimme.
An diesem heißen Tag hatte er seine Jacke ausgezogen und die Ärmel seines Hemds bis knapp unter die Ellbogen hochgekrempelt. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen.
Wenn er mir eine Frage stellte, sah er mir immer fest in die Augen, als versuche er zu ergründen, ob ich die Wahrheit sagte oder nicht.
»Gut«, antwortete ich, was nicht ganz der Wahrheit entsprach. Die Wunde brannte. Durch Rasierklingen verursachte Schnitte tun immer höllisch weh, hatte die Ärztin gesagt, als sie die Wunde verband.
»Dieser Mensch weiß anscheinend, dass Sie mal Hand-Model waren.«
»Möglich.«
Er griff nach zwei Büchern. Erst jetzt merkte ich, dass es sich dabei um meinen Terminplaner und mein Adressbuch handelte.
»Können wir ein paar Dinge zusammen durchgehen?«
Ich seufzte. »Wenn es unbedingt nötig ist. Wie ich Ihrem älteren Kollegen schon erklärt habe – ich habe sehr viel zu tun.«
Er sah mich auf eine Weise an, die mir die Röte ins Gesicht trieb. »Sie wissen, dass das alles nur zu Ihrem eigenen Besten geschieht, Mrs. Hintlesham.«
Also ließ ich mein Leben Revue passieren.
Wir fingen mit meinem Terminplaner an. Stadler schlug jede einzelne Seite auf und bombardierte mich mit Fragen über Namen, Orte, Verabredungen.
Das war ein Friseurtermin, und da war ich mit Harry beim Zahnarzt. Das war ein Mittagessen mit Laura, Laura Offen. Ich buchstabierte Namen, beschrieb Geschäfte, erläuterte Termine mit Handwerkern, Französischlehrern und Tennistrainern, Verabredungen zum Frühstück oder zum Mittagessen, knappe Memos. Wir gingen immer weiter zurück, bis wir auf Dinge stießen, an die ich mich nicht mal mehr erinnern konnte, nachdem er sie mir vorgelesen hatte: all die Verhandlungen wegen des Hauses, all die Immobilienmakler und Bauinspektoren, die Baumchirurgen und Planer. Das Schuljahr. Mein gesellschaftliches Leben. All die Details meines Tagesablaufs. Immer wieder fragte mich Stadler, wo denn Clive gewesen sei, als dieses oder jenes geschah.
Als wir schließlich beim Neujahrstag angelangt waren, klappte er den Planer zu und griff nach dem Adressbuch.
Resigniert führte ich ihn durch den alten, vernachlässigten und völlig verstaubten Speicher meines
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