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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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gesellschaftlichen Lebens. So viele waren weggezogen oder gestorben. Paare hatten sich getrennt. Zu manchen Freunden hatte ich einfach den Kontakt abreißen lassen – oder sie zu mir.
    Stadlers Fragen ließen mich zum ersten Mal kritisch über das gesellschaftliche Leben nachdenken, das ich in den letzten Jahren geführt hatte. Konnte dieser Kerl tatsächlich einer von diesen Namen sein?
    Als hätte das noch nicht gereicht, zog Stadler anschließend auch noch Clives Rechnungen für das Haus heraus. Ich versuchte ihm zu erklären, dass mich diese Dinge nichts angingen, dass das ganz allein Clives Ressort war, weil ich kein Händchen für Zahlen hatte, aber er schien meine Worte gar nicht zu hören: 2300 für die Wohnzimmervorhänge, die wir noch gar nicht aufgehängt hatten, 900 für den Baumchirurgen, 3000 für den Kronleuchter, 66 für den Türklopfer, in den ich mich am Portobello Market verliebt hatte. Die Zahlen begannen zu verschwimmen, ich konnte nichts mit ihnen anfangen. Ich konnte mich überhaupt nicht daran erinnern, dass die Fliesen für den Steinboden so teuer gewesen waren.
    Schrecklich, wie sich das zusammenläpperte.
    Als wir fertig waren, sah er mich an, und ich dachte: Dieser Mann weiß mehr über mich als jeder andere Mensch auf der Welt, mit Ausnahme von Clive.
    »Ist das wirklich relevant?«, fragte ich.
    »Das ist genau das Problem, Mrs. Hintlesham. Wir wissen es nicht. Im Moment brauchen wir einfach nur Informationen. So viele wir kriegen können.«
    Dann ermahnte er mich, in nächster Zeit besonders vorsichtig zu sein. Das Gleiche hatte Links auch schon zu mir gesagt.
    »Wir wollen doch nicht, dass Ihnen noch mal so was passiert, oder?«
    Er klang dabei recht optimistisch.
    Draußen hatten die Blätter der Bäume einen dunklen, schmutzigen Grünton angenommen. Sie hingen schlaff von den Ästen, schienen sich in der drückenden, schwülen Luft kaum zu bewegen. Der Garten sah aus wie eine Wüste: Die Erde war von der Hitze hart und von Rissen durchzogen wie altes Porzellan. Manche der Pflanzen, die Francis erst vor kurzem eingesetzt hatte, ließen bereits die Blätter hängen. Die neue kleine Magnolie würde auf keinen Fall überleben. Alles war völlig ausgetrocknet.
    Ich versuchte noch einmal, Clive anzurufen. Seine Sekretärin sagte, er sei gerade nicht da. Tut mir Leid, fügte sie hinzu, klang dabei aber überhaupt nicht so, als würde es ihr Leid tun.
    Ganz anders Dr. Schilling. Sie kam nicht mit einer Liste zu überprüfender Namen in den Raum marschiert, um mich sofort mit Fragen zu bombardieren. Ihr Interesse galt zunächst meiner Verletzung, sie wickelte den Verband ab und nahm meine Finger in ihre schmale kühle Hand. Sie sagte, es täte ihr sehr Leid, als müsste sie sich persönlich dafür entschuldigen. Zu meinem Entsetzen war mir plötzlich nach Heulen zu Mute, aber ich würde mir bestimmt nicht die Blöße geben, in ihrer Gegenwart in Tränen auszubrechen. Diesen Gefallen würde ich ihr nicht tun.
    »Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen, Jenny.«
    »Worüber?«
    »Könnten wir über Sie und Clive sprechen?«
    »Ich dachte, das hätten wir schon getan.«
    »Ich brauche noch ein paar Einzelheiten. Schaffen Sie das?«
    »Ja, ich glaube schon, aber …« Ich rutschte unbehaglich auf meinem Stuhl hin und her. »… irgendwie habe ich dabei so ein komisches Gefühl. Ich möchte lediglich sicher sein, dass es Ihnen bei Ihren Fragen wirklich nur darum geht, diesen Kerl zu schnappen. Sie sind wahrscheinlich der Meinung, dass ich total verrückt bin und ein schreckliches Leben führe, aber ich bin glücklich damit. Ist das klar? Ich brauche Ihre Hilfe nicht. Und falls ich sie doch brauche, dann will ich sie nicht.«
    Dr. Schilling lächelte verlegen. »Ich bin überhaupt nicht dieser Meinung.«
    »Dann ist es ja gut«, sagte ich. »Ich wollte bloß, dass wir uns verstehen.«
    »Ja«, antwortete Dr. Schilling. Sie warf einen Blick auf das Notizbuch, das aufgeschlagen auf ihrem Schoß lag.
    »Sie wollten etwas über Clive und mich wissen.«
    »Macht es Ihnen etwas aus, dass er so selten zu Hause ist?«
    »Nein.« Sie wartete, aber ich fügte meiner Antwort nichts hinzu. Mittlerweile kannte ich ihre Tricks.
    »Glauben Sie, dass er Ihnen treu ist?«
    »Das haben Sie mich schon mal gefragt.«
    »Aber Sie haben mir keine Antwort gegeben.«
    Ich seufzte beleidigt. »Da Detective Stadler inzwischen sogar weiß, wann meine nächste Periode fällig ist, macht es wohl keinen Unterschied mehr,

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