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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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zu Hause ist.«
    »Wissen Sie, wo er an dem Tag war?«
    »Er hatte einen Termin. Hat er zumindest gesagt.
    Irgendwas wichtiges Geschäftliches.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja. Ich hatte nämlich vor, schön für uns zu kochen.

    Morgens hat er mir dann eröffnet, dass er weg müsse.«
    Ich konnte mich noch genau an den Tag erinnern. Es war Lenas freier Tag gewesen. Harry und Josh hatten sich ständig gezankt, bis sie schließlich von Freunden abgeholt wurden, während Christo fast den ganzen Tag fern sah und Lego spielte; abends war er schlecht gelaunt und müde von der Hitze ins Bett gegangen. Ich hatte nach dem ruinierten Tag in der Küche gesessen und auf den Tisch mit dem schönen Essen hinuntergestarrt, den ich mit langstieligen Weingläsern und Blumen aus dem Garten so festlich gedeckt hatte. Clive war nicht gekommen.
    »Dann war er also den ganzen Tag unterwegs?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie noch, von wann bis wann er weg war?«
    Als ich ihm darauf antwortete, fiel mir selbst auf, wie dünn und traurig meine Stimme klang. »Als er ging, hatte der Fischhändler noch nicht auf. Zurückgekommen ist er so gegen Mitternacht. Vielleicht auch ein bisschen später.
    Jedenfalls war er noch nicht da, als ich ins Bett gegangen bin.«
    »Wären Sie bereit, diese Aussage zu unterschreiben?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Wenn Sie es für nötig halten. Ich nehme an, Sie werden mir nicht sagen, wieso das eine Rolle spielt.«
    Zu meiner großen Überraschung nahm Stadler meine Hand.
    »Jenny«, sagte er mit sanfter Stimme, »ich kann Ihnen nur sagen, dass das alles bald vorüber sein wird, falls das ein Trost für Sie ist.«
    Ich spürte, wie ich rot wurde. »Oh.« Mehr brachte ich nicht heraus. Ich kam mir vor wie ein Idiot.
    »Ich bin bald zurück«, erklärte er.

    Ich wollte nicht, dass er ging, aber das konnte ich ihm natürlich nicht sagen. Stattdessen entzog ich ihm meine Hand. »Gut.«

    Ich legte mich auf mein sonnenbeschienenes Bett. Meine Arme und Beine fühlten sich so schwer an, dass ich sie kaum bewegen konnte, mein Gehirn war so träge, als befände ich mich unter Wasser.
    Ich ließ mir ein kaltes Bad ein, schloss die Augen und versuchte, alle Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen.
    Anschließend wanderte ich von Raum zu Raum. Was hatte mir an diesem Haus eigentlich jemals gefallen? Es war hässlich, abweisend, genügte nicht meinen Ansprüchen.
    Ich würde hier ausziehen, noch mal neu anfangen.
    Ich wünschte, Josh würde anrufen. Ich wollte ihm sagen, dass er nicht im Feriencamp bleiben musste, wenn es ihm so gar nicht gefiel. Es lohnte sich nicht, sich zu quälen, so viel war mir inzwischen klar geworden.
    Ich ging in die Zimmer der Jungs und berührte die Sachen in ihren Schränken, die Pokale auf ihren Regalen.
    Wir waren alle so weit voneinander entfernt. In der Diele fiel mein Blick auf mein Spiegelbild: eine dünne Frau mittleren Alters, die mit ihren fettigen Haaren und knochigen Knien wie verloren in einem für sie viel zu großem Haus herumwandert.
    Draußen war der Himmel diesig von der Hitze undden vielen Abgasen.
    Vielleicht konnten wir aufs Land ziehen, in ein kleines Häuschen mit Rosen vor der Tür. Mit einem Swimmingpool und einer Buche, auf die die Jungs hinaufklettern konnten.
    Es klingelte an der Tür.

    Ich bekam kein Wort heraus. Das konnte einfach nicht sein. Es war nicht möglich, nicht real. Ich schüttelte nur den Kopf, als könnte ich dadurch Klarheit in die ganze Verwirrung bringen. Links beugte sich zu mir vor, als hätte er es mit einer kurzsichtigen und schwerhörigen Wahnsinnigen zu tun.
    »Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Mrs. Hintlesham?«
    »Was?«
    »Ihr Mann, Clive Hintlesham«, begann er, als müsste er es mir ganz langsam erklären, Detail für Detail. »Vor einer Stunde. Er wurde des Mordes an Zoë Haratounian angeklagt. Wir gehen davon aus, dass er sie am Morgen des siebzehnten Juli 1999 umgebracht hat.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte ich. »Das ist doch verrückt.«
    »Mrs. Hintlesham, Jenny …«
    »Verrückt«, wiederholte ich. »Völlig verrückt.«
    »Sein Anwalt ist informiert. Er wird morgen früh vor Gericht erscheinen, dem St. Steven’s Magistrates’ Court.
    Sie werden eine Kaution beantragen. Der Antrag wird abgelehnt werden.«
    »Wer ist diese Frau überhaupt? Was hat sie mit Clive zu tun? Mit mir und den Briefen?«
    Links war anzusehen, wie unwohl er sich in seiner Haut fühlte. Nachdem er tief Luft geholt hatte, antwortete er langsam und bedächtig,

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