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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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ihn davon ab, Tinas Schwäche zu seinem Vorteil zu nutzen.
    Ihre Worte im Wohnzimmer der Dienstboten hatten ihn so tief berührt, wie es seine misstrauische Natur nur zuließ. Er fand sie zwar peinlich, und es passte ihm gar nicht, dass Tina sie überhaupt hatte sagen müssen, aber ihr Mut und ihre Ehrlichkeit beeindruckten ihn. Und so hatte er ihr mit den Rosen auch seine Rücksichtslosigkeit ausgehändigt.
    Außerdem wollte er jetzt, mehr denn je, respektabel werden und seiner Mutter und dem alten Falger so unähnlich wie nur möglich. Es ließ sich beim besten Willen nicht respektabel nennen, wenn man die Tochter seines Arbeitgebers verführt und ihn dann damit erpresst. Wenn ich das mache, dachte Saxon, dann bin ich nicht besser als die zwei. Sogar schlimmer, denn die sind wie Tiere, die wissen nicht, was sie tun. Aber ich schon. Ich weiß es besser.
    Außerdem bezweifle ich, dass der Alte so viel rausrückt (er hatte vorgehabt, Mr Wither um tausend Pfund zu erleichtern), bloß damit ich das Maul halte. Einen Fußtritt wird er mir geben und ihr wahrscheinlich auch. Und wie stünden wir dann da? Keine Arbeit, keine Referenzen, kein Geld und vielleicht noch ein Kind unterwegs. Sie wird ja wohl kaum viel auf der Kante haben, sonst wäre sie sicher schon vor Jahren abgehauen.
    War sowieso ’ne verdammt blöde Idee, dachte Saxon.
    Unrealistisch. So was klappt doch nur im Kino. Ich muss mir was anderes einfallen lassen. Aber was? So kann’s jedenfalls nicht weitergehen. Ich fang an, sie zu mögen. Kann’s ebenso gut zugeben. Ist ’n süßes kleines Ding; hat das Herz am rechten Fleck und obendrein Verstand. Sie würde mir verflucht fehlen, wenn ich mich aus dem Staub machen müsste.
    Seine wachsende Freude an ihrer Gesellschaft verwirrte ihn ein wenig, denn ihm war nie in den Sinn gekommen, dass er einsam sein könnte, bevor er Tina begegnet war. Die Freunde aus der Kindheit – die ihm jetzt unpassend erschienen – hatte er absichtlich fallen gelassen und die Einwohner von Sible Pelden mit seiner hochnäsigen Art vor den Kopf gestoßen. Was die Einsamkeit natürlich auch nicht erträglicher machte. Und so hatte er sich, ohne es zu wissen, nach der Freundschaft mit einem intelligenten Menschen gesehnt. Und das war Tina, auch wenn ihre Gespräche nicht intellektuell waren.
    Er war auch deshalb gern mit ihr zusammen, weil sie so anders war als seine Mutter. Die Miezen in Chesterbourne waren zwar jünger und hübscher, aber es schien doch sehr wahrscheinlich, dass sie am Ende so wie seine Mutter wurden, weil sie ungebildet waren. Tina würde nie laut und ordinär und schlampig werden oder das, was Saxon als »ignorant« bezeichnete. (Im Gegensatz zu vielen seiner gebildeteren Zeitgenossen hatte er den Glauben an die Bildung nicht verloren.) Gebildete alte Damen waren in Ordnung. Solche gab es in Sible Pelden und Umgebung in Mengen. Die jammerten zwar gern (wie man von ihren Gärtnern und Chauffeuren hörte), aber sie jammerten auf gebildete Weise und nicht so ordinär wie seine Mutter. Er war Tina so dankbar für das, was sie unten beim Personal zu ihm gesagt hatte, und auch dafür, dass sie eine gebildete feine Dame war, dass er es nicht fertigbrachte, seine Distanziertheit weiter aufrechtzuerhalten. Und die Rosen machten das natürlich noch schwerer. Als sie sich am Tag nach Falgers Überfall zu den Fahrstunden trafen, war er so freundlich – ohne jedoch Grenzen zu überschreiten –, wie Tina es sich nur wünschen konnte.
    Die Augusttage verrannen, und Tina hielt den Atem an, denn sie fürchtete, ihr zartes Glück könne zerspringen wie Glas. Jeder Tag brachte sie einander näher, aber so sanft und unmerklich, dass sie zurückrechnen musste – ja, es war Dienstag gewesen, nicht Mittwoch, als er zum ersten Mal den Arm um sie gelegt hatte. Und Samstag der 19., als er sie zum ersten Mal küsste. Daran erinnerte sie sich noch genau – wie hätte sie es auch vergessen können?
    Auch wenn ihre Umarmungen noch behutsam waren, ihre Freundschaft war es nicht. Saxon hatte noch nie mit jemandem über seine ehrgeizigen Pläne geredet, wie er es jetzt mit Tina tat. Er machte hier eine beiläufige, jedoch ernste Bemerkung, dort eine Andeutung. Er bat sie, ihn zu korrigieren, wenn er sich falsch ausdrückte. Tina, die nicht wusste, ob sie weinen oder lachen sollte, sagte mit Freuden zu … falls es ihm wirklich ernst damit war? Ob es ihn nicht kränken würde, wenn sie ihn korrigierte? Nein, keine Sorge, diesen Unsinn habe er

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