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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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sie mit beinahe freundlicher Herablassung, denn jetzt gab es nichts mehr zu befürchten. Sie kannte Victor – er würde sich keine Abenteuer mehr erlauben, jetzt, da sie offiziell verlobt waren.
    »Ihr kennt euch noch nicht?«, begann Hetty, als sie vor Phyllis stand. »Miss Barlow – Mrs Wither.«
    »Guten Tag.« Phyllis blickte mit einem strahlenden Lächeln durch ihr Gegenüber hindurch.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen«, nuschelte Mrs Wither. Sie musterte Phyllis’ Gesicht und Kleid. » Wir können Ihnen gratulieren, wie ich höre«, leierte sie herunter, als ob sie es auswendig gelernt hätte. (Hatte sie auch – Hetty hatte ihr geraten, das zu sagen.)
    »Oh, danke vielmals«, antwortete Phyllis zuckersüß. »Victor … hier ist jemand, den du kennst.«
    (O du dreimal verfluchte Hexe, musste das sein?, dachte Hetty.)
    Victor wandte sich von dem Mann ab, mit dem er sich gerade unterhielt, ein höflich-erwartungsvolles Lächeln auf dem Gesicht – und blickte direkt in jene grauen Augen, in die er zuletzt im Sommerhäuschen geblickt hatte.
    Jetzt schauten sie allerdings so unglücklich drein, dass er es kaum ertragen konnte. Er sagte etwas Freundliches, der Situation Angemessenes – was genau, daran konnte er sich später nicht mehr erinnern – und wandte sich ab. Arme Kleine, verdammte Schande, waren seine Gedanken, während er sein voriges Gespräch wiederaufnahm. Aber der Ausdruck auf ihrem Gesicht hatte ihn so erschüttert, dass er mehrere Sekunden lang nicht hörte, was sein Gegenüber sagte.
    Als sie weg war und die Erinnerung an ihr Gesicht schon ein wenig verblasste, versuchte er sich einzureden, dass er das einzig Mögliche getan hatte. Die offene, ehrliche Leidenschaft, mit der sie seinen Kuss erwidert hatte, hatte ihn erschreckt. Wenn ich noch mal mit diesem Mädchen allein sein sollte, werden wir beide den Kopf verlieren, hatte er gedacht. Es darf kein nächstes Mal geben. Das war der Grund gewesen, warum er die ganze Sache einfach sein gelassen hatte. Die kleine Wither konnte gut auf sich selbst aufpassen; die würde bald jemand anderen zum Küssen finden (obwohl ihn dieser Gedanke auch nicht gerade aufheiterte), und er würde eben – rechtmäßig – Phyl küssen.
    Jetzt jedoch fragte er sich während der Unterhaltung, ob die kleine Wither – Violet, so hieß sie – wirklich so abgebrüht war, wie er angenommen hatte. Ihre Küsse waren zwar leidenschaftlich, aber ungeübt gewesen. Konnte es sein, dass er mit den Gefühlen einer naiven Dorfschönheit gespielt hatte? Phyl würde ihm den Kopf waschen! Nein, Phyl durfte nie davon erfahren, das würde ihn in Teufels Küche bringen.
    Außerdem küsse ich die kleine Violet allemal lieber als Phyl.
    Seltsame Gedanken für einen frischgebackenen Verlobten, zugegeben.

17. KAPITEL
    Nach der Gartenparty der Springs versank Sible Pelden in Ereignislosigkeit und Langeweile. Niemand lud mehr irgendwen irgendwohin ein, es war unerträglich heiß, ja schwül; die meisten feinen Herrschaften schlossen ihre Häuser zu und fuhren in die Sommerfrische. Endlos heiße Tage reihten sich aneinander, windstill und staubig. Im Eichenwäldchen trocknete das Bächlein aus, und der Einsiedler war gezwungen, zweimal am Tag Mrs Caker aufzusuchen, um seinen Kanister mit Wasser zu füllen und ihr den Hals zu kitzeln. Die Vögel schwiegen, und die Jugend von Chesterbourne vergnügte sich nach einem heißen Arbeitstag in der kühlen Bourne. Viola Wither nahm zwei Pfund ab, Tina Wither drei zu und bekam erstmals runde Wangen.
    Grassmere war wie ausgestorben, nur der Obergärtner und seine Frau hielten die Stellung. Die Springs, so hörte man, machten Urlaub im Ausland.
    Saxons melodiöses Pfeifen war kaum noch zu hören, denn er machte sich Sorgen. Mit pochender Schädelwunde, noch immer erfüllt von Zorn und Scham über das Geschehene, war er den ganzen Weg durchs Eichenwäldchen gelaufen, um Tina die Röschen zu bringen. Dies hatte ihn der Möglichkeit beraubt, sein Leben weiterhin selbst zu steuern: Und das wusste er.
    Es war ihm so leicht erschienen, Tina die ganze Arbeit zu überlassen und dann Mr Wither zu erpressen; ein vernünftiger Mann mit gesundem Eigeninteresse hätte nicht gezögert – und Saxon hielt sich für einen vernünftigen Mann mit gesundem Eigeninteresse.
    Aber er hatte seine bessere Natur außer Acht gelassen. Nur mit ihr – und seinem eisernen Willen – war es ihm gelungen, sich aus seinen erbärmlichen Verhältnissen zu befreien. Und nun hielt sie

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