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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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Wir müssen fahren.« Er war um einen versöhnlichen Ton bemüht, was herauskam, klang jedoch verächtlich.
    »Och, keene Eile. So weit seid ihr nich von zu Hause weg. Was hat die junge Dame da jesacht, von wegen, wenn’s rauskommt, ey? Was habter denn jetrieben? Nüscht Unanständiges, hoff ich? Nichts, was den ollen Schacko-pur-swa aufregt? Regt sich ziemlich schnell auf, der olle Schacko-pur-swa. Empfindlich wie ’ne Harfe, so sacht man doch. Ihr wollt ihn doch sicher nich aufregen, oder?«
    »Saxon«, flüsterte Tina und öffnete ihre Handtasche. »Es hat keinen Zweck, wir müssen ihm was geben.« Sie faltete einen Zehn-Shilling-Schein zusammen.
    »Sei doch nicht blöd!«, zischte Saxon aus dem Mundwinkel, was komisch aussah, als wären sie ein Gangsterpärchen. »Gib ihm eine Half Crown, wenn’s sein muss – aber besser nicht. Der wird nur mehr verlangen. Verfl… jetzt hat er uns genau da, wo er will. Hier …« Er legte eine Hand auf die ihre und schob den Schein wieder in die Tasche zurück, mit der anderen holte er einen Shilling aus seiner Uniformjacke.
    »Hier, trink mal einen auf uns«, rief er und warf dem Einsiedler die Münze zu, die dieser geschickt auffing.
    Dieses dreckige Grinsen des Alten und dann auch noch dieses vielsagende Lächeln von Saxon. Tina war ganz übel. Männer aus dem Volk sind einfach schrecklich , schoss es ihr durch den Sinn. Wenn ich mit Giles Bellamy hier wäre, der würde das anders regeln, der würde sich nicht auf das Niveau dieses Mannes herablassen und aus dem Ganzen einen schlechten, schmutzigen Witz machen.
    Sie fühlte sich beschmutzt, und sie war sehr zornig auf Saxon. Die Tatsache, dass ein Shilling ihm etwas bedeutete und ihr nicht, machte sie noch zorniger. Auf den Gedanken, dass diese Situation sich gar nicht erst ergeben hätte, wenn sie mit Giles Bellamy zusammen gewesen wäre, kam sie nicht.
    »Das reicht fürs Erste«, rief der Einsiedler und machte sich kriechend durch ein Loch in der Hecke davon. »Ich sach nüscht, keene Sorje.« Dann drang es noch aus dem Wäldchen: »Du lässt mich in Ruh, dann lass ich dich in Ruh, wa?«
    Als seine Stimme verklungen war, trat eine lange Stille ein.
    Beide waren zornig, ängstlich und irgendwie niedergeschlagen, als ob sie etwas Schönes verloren hätten und jetzt nicht wussten, wie es weiterging.
    Verdammt noch mal, es muss was geschehen, dachten beide.
    Der Wagen stand halb auf der Straße, als ob er eine Panne hätte. Saxon wusste, dass er weiterfahren musste, denn es konnte jeden Moment ein Traktor um die Ecke biegen, aber er war zu zornig, zu erhitzt und zu deprimiert, um den Wagen anzulassen.
    »Sollten wir nicht fahren?«, bemerkte Tina schließlich.
    Ohne zu antworten, ließ er den Wagen an. Sie brauchte gar nicht so einen Ton anzuschlagen. Sie hatte damit angefangen. Wessen Schuld war’s wohl, wenn sie jetzt in einen Riesenschlamassel gerieten?
    Er stieß zurück, richtete den Wagen korrekt aus und bog auf die Straße hinaus. Rasch fuhr er davon, zu einer belebteren Straße, wo ein wenig Verkehr herrschte und er sich aufs Fahren konzentrieren musste. Mit jeder Minute wurde er zorniger auf sich selbst, verfluchte seine Schwäche, dass er sich wieder einmal hatte »gehen lassen«. Jetzt hatte er sich mit ihr eingelassen und wollte sie nicht im Stich lassen. Und nun stand zu erwarten, dass er vom alten Falger gemolken wurde, anstatt dass er den alten Wither melkte. Man würde ihn rausschmeißen – und all das nur, weil er verdammt noch mal weich geworden war.
    Das Leben des Übermenschen ist härter, als es sich ein Untermensch vorzustellen vermag.
    Dicker Staub hing über der Hauptstraße nach Bracing Bay, aufgewirbelt von Autos und Lastern, die Richtung Küste fuhren. Ungerührt vom Donnern der schweren Motoren hängten zufrieden aussehende Hausfrauen ihre Wäsche in den blühenden Gärten ihrer hässlichen kleinen Häuschen auf. Ein Glück, dass sich nur so wenige Menschen an Lärm und Hässlichkeit stören.
    »Sollten wir nicht allmählich zurück?«, bemerkte Tina hüstelnd.
    Er ging nicht darauf ein, was sie regelrecht entzückte.
    Sie hatte gelesen, Frau und Mann seien einander ebenbürtig, und daran glaubte sie fest, auch wenn sie es in ihrem bisheriges Leben nie erfahren hatte. Und jetzt wurde sie von Saxon ignoriert. Wie aufregend zu sehen, dass das, was man in den Büchern las, gar nicht stimmte! Der Wagen flog nur so über die laute, staubige Straße. Sie würde sich zum Mittagessen fürchterlich

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