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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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spät dran. Der«, sie wedelte mit dem Brief, »ist von Mr Withers Cousine, Agnes Grice, Mrs Grice. Sie kennt Mr Spurrey gut. Sie war neulich in der Stadt (sie wohnt in Peterborough), weil sie einen Zahnarzttermin hatte (die Arme hat in letzter Zeit ziemliche Probleme mit ihren Zähnen), und sie hat gesehen, wie Mr Spurrey sich von Saxon durch die Wigmore Street chauffieren ließ. Sie hat sich aus dem Fenster ihres Taxis gebeugt und ihm zugewunken, aber er hat sie nicht bemerkt – oder wollte sie nicht bemerken, glaubt sie. Sie fand, dass er gar nicht gut aussah, und vermutet, er wollte einen Spezialisten aufsuchen (alle guten Ärzte sind in diesem Viertel, rund um die Harley Street, weißt du). Ich kann’s einfach nicht fassen. Mr Spurrey! Ich fürchte, Mr Wither wird sich furchtbar aufregen.«
    Und so war es. Er kam zurück, als Fawcuss gerade den Gong fürs Mittagessen schlug, und stritt sich mit Madge über die Strecke, die sie für den Rückweg genommen hatten. Er hatte den üblichen Weg nehmen wollen, aber Madge hatte gemeint, sie kenne eine Abkürzung, mit dem Resultat, dass sie nun beinahe zu spät gekommen wären und Mr Wither schon verärgert war. Er hatte Madges Drängen nachgegeben und ihr erlaubt, »das Auto zu übernehmen«, wie sie es ausdrückte, nun da Saxon fort war, zum Teil, weil er glaubte, keinem Chauffeur je wieder trauen zu können, und zum Teil, weil es einfach zu mühsam gewesen wäre, weiter nein zu sagen. Mr Wither wurde allmählich alt. Leider waren die Fahrten mit Madge nicht so erholsam wie mit Saxon: Streit, neue Sitten, Beinahe-Zusammenstöße und wortreiche Ausreden verhinderten dies.
    Aber so ist’s ja mit allem, dachte Mr Wither düster beim Betreten der Eingangshalle, wo Fawcuss den Gong ertönen ließ, heutzutage gibt’s nirgendwo Trost und Frieden. Mr Wither gab dem Krieg die Schuld.
    Und dann händigte ihm Mrs Wither stumm den Brief von Cousine Agnes Grice aus.
    Cousine Agnes irrte. Mr Spurrey hatte an jenem schönen Aprilmorgen, an dem ein frischer Wind wehte, keinen Arzt aufgesucht. Er und Saxon waren, innerlich aufgeregt, aber äußerlich unbewegt, unterwegs nach Buckinghamshire gewesen, um den neuen Rolls auszuprobieren.
    Mr Spurrey wollte schon seit Jahren einen neuen Rolls, aber Holt war dagegen gewesen. Wann immer Mr Spurrey, der alles andere als ein Geizhals war, Andeutungen über einen neuen Wagen machte, hatte Holt, der Veränderungen hasste, so ein Gesicht gemacht, den Atem zischend eingezogen und die Unterlippe vorgeschoben. Er hatte nicht gesagt: »Das würde ich nicht tun, wenn ich Sie wäre, Sir«, aber sein Gesicht hatte es gesagt, und Mr Spurrey, der nicht ahnte, wie leicht er sich ins Wanken bringen ließ, sagte nichts mehr, bis zum nächsten Mal, und dann bekam er dieselbe Reaktion.
    Aber Saxons Miene hatte sich schon bei Mr Spurreys erster, vorsichtiger Andeutung, man könne sich eventuell einen neuen Rolls zulegen, begeistert aufgehellt. Gleich am nächsten Tag schlug er vor, zu einem Händler zu fahren und sich ein wenig umzusehen, und Mr Spurrey beschloss, ihn zu begleiten. Schon bald wurde aus »einem Rolls« »der neue Rolls«, bald hieß es nur noch »der Neue«, und als Mr Spurrey und Saxon schließlich an diesem feinen, windigen Apriltag in dem schwarzen Schmuckstück dahinrollten, stolz wie die Männer, die einst Kleopatras Barke gesteuert hatten, war aus dem »neuen Rolls« schließlich »der Wagen« geworden.
    Das nenn’ ich Leben, dachte Saxon. Mächtige Pferdestärken, zahm und gehorsam unter seinen Händen. O du Süße, du Schönheit, dachte Saxon, während sie aus London hinausfuhren und auf Buckinghamshire zuglitten, so lautlos, so geschmeidig war die mächtige Maschine.
    Mr Spurrey war ebenfalls höchst zufrieden. Die Sonne schien (Mr Spurrey mochte Sonne), blau spannte sich der Himmel über ihnen, der Rolls schnurrte dahin, und zu Hause wartete, noch ungeöffnet, Dorothy Sayers’ neuer Krimi auf ihn. Vorne saß Saxon, dieser gute Junge, und dazwischen das kleine Fenster, das jederzeit geöffnet werden konnte, wenn Mr Spurrey Lust zum Reden hatte.
    Als sie gerade Rickmansworth mit ihrer Passage beehrten, schob Saxon selbst das kleine Fenster auf und sagte fröhlich:
    »Läuft der Wagen nicht prima, Sir?«
    »Ja, oh ja, fantastisch«, stimmte Mr Spurrey eifrig zu, »einfach fantastisch. Man merkt den Unterschied, nicht wahr? Nicht nur bei Steigungen, obwohl er da natürlich am auffälligsten ist, sondern die ganze Zeit, eh? Ach, ich war

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