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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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rausschmeißen.
    Aber als sich die Tür hinter Mrs Buckle und sechs Metern roten, weißen und blauen Bändern schloss und Miss Cattyman mit einem zutiefst kummervollen Ausdruck in ihrem alten, faltigen Gesicht auf Viola zukam, da wusste sie, dass genau das passiert war.
    »Ich bin ja so froh, dich zu sehen, Vi, meine Liebe.« Sie reckte den Hals, um den Kuss in Empfang zu nehmen, für den Viola sich zu ihr hinunterbeugte. Würdevoll fügte sie hinzu: »Miss Lint, wenn Sie bitte für mich übernehmen würden, ich gehe kurz mit Mrs Wither nach hinten.«
    Miss Lint nickte. Sie wusste, was heute Vormittag passiert war. Miss Cattyman tat ihr leid, aber diese kleine Thompson, wie hochnäsig die war, man mochte kaum glauben, dass sie praktisch im Laden groß geworden und sogar da gearbeitet hatte, bevor sie ihren kostbaren Mann kennengelernt hatte.
    Viola und Miss Cattyman verschwanden in dem kleinen Hinterzimmer, in dem Mr Burgess immer den Papierkram erledigte und wo die Frauen nachmittags ihre Viertelstunde Teepause machten. Catty setzte sich mit einem tiefen Seufzer und schaute zu Viola auf.
    »Ja, meine Liebe, jetzt ist es passiert.« Sie warf ihre runzligen kleinen Hände in die Luft und ließ sie, leicht wie verdorrte Blätter, auf den Schoß ihrer grünschwarzen Schürze zurücksinken. »Man hat mich heute Vormittag entlassen. Ende des Monats muss ich gehen. Es tut ihm natürlich sehr , sehr leid, er hat nichts gegen meine Arbeit einzuwenden, danke auch …«
    »Also wirklich! Das will ich doch wohl hoffen!«, empörte sich Viola.
    »… aber die Wahrheit ist, ich werde allmählich zu alt für diese Arbeit. So unangenehm es ist, es ist die Wahrheit, und davor kann man sich nicht drücken, nicht wahr? Oh, er war sehr nett und alles, da gibt’s nichts …«
    Sie beugte sich vor, und ihre alten bläulich-braunen Augen funkelten fast vergnügt. In einem ganz anderen Ton, fast gehässig, sagte sie:
    »Hast du je eine Seife mit Hose gesehen? So hat er ausgesehen, als er’s mir gesagt hat, meine Liebe: wie eine fette, sonnengelbe Seife mit Hose. Ach ja«, sie wischte sich die plötzlich nassen Augen, »ach, es ist alles so schrecklich, Vi; natürlich hab ich immer gewusst, dass dieser Tag mal kommen würde, aber irgendwie hab ich nie wirklich damit gerechnet, weißt du, ich war ja nie krank, hab nie eine Brille gebraucht und hab mich überhaupt sehr jung für mein Alter gefühlt. Ich hab wohl nicht gemerkt, dass ich doch alt geworden bin, das merkt man selbst nicht, bloß die andern merken es, an deiner Leistung. Trotzdem, es ist einfach schrecklich, Vi, ich war so lange hier, hab die Stadt wachsen gesehen, hab erlebt, wie Woolworth kam und dann dieser ausgerissene Wolf … und dein lieber, lieber Vater, Vi«, sich erneut die Augen wischend, »was der dazu sagen würde! Er hat mir immer versprochen, dass ich mal hinterm Ladentisch sterbe, weißt du.«
    Viola schwieg; Miss Cattyman schnüffelte still vor sich hin. Sie musste daran denken, wie sie und ihr Vater sich gelegentlich über Catty lustig gemacht hatten. Die alte Catty, altes Huhn, hatte ihr Vater gesagt, die geborene alte Jungfer, Viola. Dann stellte er sich in Pose und stimmte ein Liedchen an, irgendwas über Lovely Letty … wie ging das noch … die letzte Zeile lautete Als Letty starb, war sie sehr alt … ach ja … ihr ungeliebtes Herz ward kalt … wie lang das her war, als ob es in einer anderen Zeit gewesen wäre! Ihr Vater war jetzt tot; und Catty war die Einzige, die sich noch an die alten Zeiten erinnerte. Sie liebte Catty, weil Catty sie an ihren Vater erinnerte und wie glücklich sie zusammen gewesen waren.
    Viola wischte sich die Augen und überlegte, wie sie das Gespräch auf das Thema Geld lenken konnte. Catty war der geborene Snob, wenn’s um Geld ging: eine DAME arbeitet nicht; eine DAME bekommt keinen Lohn, daher durfte die Höhe von Miss Cattymans Lohn auch nie jemand erfahren. Das war schon 1887 ihre Einstellung gewesen, das war sie noch heute. Die Welt hatte sich in den letzten fünfzig Jahren unfassbar geändert; aber die Höhe von Cattys Lohn war noch immer ein streng gehütetes Geheimnis, selbst vor engsten Freunden. Viola wusste natürlich, dass es drei Pfund pro Woche waren, denn sie und ihr Vater hatten darüber diskutiert, Cattys Lohn so weit heraufzusetzen (ein mehr als anständiger Lohn für eine Chefverkäuferin in einem kleinen Laden in einer kleinen Stadt), und Howard Thompson hatte sich deswegen sogar mit Mr Burgess

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