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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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schon so unzufrieden mit dem alten Wagen, wirklich unzufrieden. Ich erinnere mich …«
    Er erinnerte sich. Und Saxon fuhr, die Lider halb geschlossen, durch die einsamen Straßen, hörte zu, kommentierte und steuerte.
    Mr Spurreys Monologe waren langweilig, gewunden und wiederholten sich ständig, voller mikroskopischer Triumphe für den eigenen Witz, Mut und Schläue auf Kosten namenloser Flöhe, meist »der alte Knabe« oder »dieser Bursche« genannt, so farblos, sinnlos und überflüssig, dass gar nicht erst der Versuch gemacht werden soll, hier wiederzugeben, was er sagte.
    Saxon war das Gebrabbel des Alten inzwischen gewöhnt, es ging ihm längst nicht mehr so auf die Nerven wie früher. Er nahm es mit Humor. Der Alte tat ihm leid. All das Geld (und nicht geizig damit) und keine Ahnung, was er damit machen sollte. Mit Frauen konnte Mr Spurrey nichts anfangen, sie jagten ihm Angst ein, weshalb dies sowohl als Vergnügung wie als Ausgabemöglichkeit ausfiel, und Männer fanden ihn bestenfalls erträglich. Er hatte so eine Art, die Stimmung kaputtzumachen, wo immer er auftauchte, selbst wenn er nichts sagte. Er war zu gerissen, um auf Schmeichler hereinzufallen, aber zu dumm, um normale, freundliche Menschen anständig zu behandeln. Und seine Angewohnheit, sein Gegenüber entweder total zu verängstigen oder zu Tode zu langweilen, besiegelte sein Schicksal: Niemand, in seinem ganzen langen Leben nicht, hatte sich je in der Gesellschaft von Mr Spurrey wohl gefühlt.
    Aber Saxon hatte nichts gegen ihn, jetzt, wo er ihn besser kannte. Da war zum Beispiel seine Großzügigkeit. Nichts von Mr Wither, der sich ständig überlegte, wo er noch fünf Penny sparen konnte. Sie hielten schließlich auf einer Anhöhe an, von der man einen herrlichen Ausblick über das liebliche Tal der Chess hatte. Während Mr Spurrey sich die Beine vertrat, holte Saxon den Picknickkorb heraus, breitete eine Decke aus und packte Gänselebersandwiches, Champagner und etliche andere Köstlichkeiten aus. Holla!, dachte Saxon, Champagner! Letztes Mal war’s bloß Schaumwein. Wir machen Fortschritte.
    Mr Spurrey kam um die funkelnde schwarze Schnauze des Rolls herumgeschlendert. »Na, was hat man uns mitgegeben?« (Eine der kleinen Freuden reicher Leute ist, dass sie nie vorher wissen, womit ihre Sandwiches belegt sind.) Er hatte sich in seinen brandneuen Staubmantel gewickelt, der die scharfen Frühlingswinde abhielt. Mit einem neugierigen Blick begutachtete er, was Saxon auspackte.
    Saxon hielt schmunzelnd den Champagner hoch.
    »Ha! He! Ausgezeichnet! Ah ja, das war meine Idee. Dachte, wir sollten den neuen Rolls ein wenig feiern, eh? Eine kleine Überraschung, eh?«
    Saxon konnte dem nur von Herzen beipflichten. »Ausgezeichnete Idee, Sir.« Und er fügte hinzu, in der Annahme, dass Mr Spurrey einen Ausdruck aus alten Zeiten zu schätzen wissen würde: »Eine famose Idee, wenn ich so sagen darf.«
    »Ha, ha! Sehr gut!«, rief Mr Spurrey aus, » Eine famose Idee ! Ja, genau. Eine famose Idee! «
    Saxon legte Mr Spurrey fürsorglich ein wasserabweisendes Kissen unter – man durfte schließlich sein Rheuma nicht vergessen.
    »Na, bequem so?«, meinte er freundlich.
    Er schob dem Alten ein zweites Kissen in den Rücken und vergaß dabei, das »Sir« hinzuzufügen. Aber Mr Spurrey merkte es nicht. Er war für Saxon in diesem Moment nur ein einsamer, langweiliger alter Mann, der die Sonne und die frische Frühlingsluft genoss und sich auf den ersten Schluck guten Champagner freute. Er war nicht länger Saxons Arbeitgeber; er hätte ebenso gut einer von den alten Burschen sein können, die zu Hause im Green Lion die Gaststube wärmten und sich mit Darts die Zeit vertrieben; die fragte man auch immer, ob es ihnen gut ginge … man wusste selbst nicht, warum … nicht, dass es einen interessierte. Aber es kostete nichts, und die Alten schien es zu freuen.
    »Bisschen mehr nach links, ja so. Danke.«
    Sie saßen Seite an Seite, den Rücken an den Rolls gelehnt, mit vollen Backen, ein Glas Champagner in der kalten Hand, den Blick ins weite Tal gerichtet. Wolkenschatten jagten über die frisch gepflügten, braun-lila Äcker. Die Lärchen trieben schon; bleich zeichneten sie sich vor den schwarzen Umrissen der Bäume ab. Der Wind trug das laute Krächzen von Krähen herbei, dann, als er umschlug, leiser. Saxon wünschte eine Sekunde lang, dass Tina hier wäre: Sie freute sich immer so über eine schöne Landschaft. Aber er vergaß sie sogleich wieder,

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