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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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besser, wenn sie nicht mitkäme. Und unter alldem eine unterschwellige, fast hysterische Begeisterung. Tina war sprachlos, ja wie vor den Kopf geschlagen.
    Die Liebesprüfung hatte Saxon mit Auszeichnung bestanden; sollte er nun an der Geldprüfung scheitern?
    Es wird ihm ergehen wie so vielen anderen auch, dachte sie, während sie die Tür aufschloss, die in der Armut großartig sind, aber den Kopf verlieren, kaum dass sie Geld haben. Langsam stieg sie die Treppe hinauf und stellte sich dabei vor, wie ihr häuslicher Frieden, ihr bescheidener Komfort, ihr exzentrischer Bekanntenkreis entsetzt Reißaus nahmen und schalen, aber teuren Vergnügungen Platz machten, dem Ärger mit dem Personal, der Reichensteuer und dem Wunsch nach sozialem Aufstieg: Dämonen, die ihr Leben in Besitz nahmen.
    Hätte er uns doch bloß fünfhundert pro Jahr hinterlassen … oder meinetwegen auch nur dreihundert, das wäre ideal gewesen, dachte sie, während sie Tomaten fürs Abendessen aufschnitt. Aber das hier, das ist einfach unmöglich, das ist die reinste Lawine. Das sind … ja was?
    … sechstausend pro Jahr. So viel können wir nie ausgeben. Außer wir leben wie Filmstars.
    Aber genau so wird er leben wollen. Ich hab’s ihm angesehen.
    Und wenn wir dann da draußen sind, in dieser Welt, in der die Frauen sich darauf verstehen, Männer zu umgarnen, und sich durch nichts davon abhalten lassen, dann wird ihn mir eine wegnehmen.
    Dabei sehe ich in letzter Zeit ohnehin schon so schlecht aus, mit dieser chronischen Magenverstimmung.
    Sie mischte etwas Natronpulver mit Wasser und trank es. Aber helfen tat es nicht.
    Diese Frauen (Tina sah die Fotos aus der VOGUE vor sich), natürlich werden sie sich auf ihn stürzen. Er ist so … so unverdorben.
    Ich spüre, dass es so kommen wird.
    Mit schweren Gedanken saß sie am Fenster und ließ den Blick über die im Sonnenuntergang rot funkelnden Dächer auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit ihren tönernen roten und braunen Kaminaufsätzen schweifen. Immer wieder auch schaute sie sich verträumt in der Wohnung um, in der sie so glücklich gewesen war. Dabei fiel ihr Blick wie zufällig auf eine gute alte Bekannte.
    SELENES TÖCHTER . Dort lag es, flach, auf einer Reihe von Kochbüchern, Büchern über Geschichte und Wirtschaftspolitik und auch ein paar Romanen. Viola hatte es ihr mit dem Rest ihrer Sachen geschickt.
    Tina musste trotz ihrer gedrückten Stimmung und ihrer Angst vor den Sirenen aus der VOGUE lächeln. Wie lange das her zu sein schien, als Miss Christina Wither, fleißige Studentin mentaler Hygiene, versucht hatte, ihr Liebesleben mithilfe von Frau Doktor Irene Hartmüller in den Griff zu kriegen! Und jetzt steckte Mrs Saxon Caker bis zum Hals im richtigen Leben. Ihre psychologischen Studien erschienen ihr jetzt lächerlich und fast herzzerreißend naiv.
    Trotzdem, dachte Tina, auf dem Fensterbrett sitzend, hinter sich den gedeckten Abendbrottisch, ganz so dumm war’s auch wieder nicht. Arme kleine Frau Doktor Irene (ob es wirklich stimmt, was die Baumers mir erzählt haben?), ich hab zumindest gelernt zu versuchen , offen und ehrlich mit mir umzugehen. Wenn ich das nicht gemacht hätte, dann hätte ich nie versucht, Saxons Freundschaft zu gewinnen, und wenn ich das nicht versucht hätte …
    Aber in diesem Moment hörte Mrs Saxon Caker (die noch tiefer im richtigen Leben drinsteckte, als sie ahnte) ihren Ehemann die Treppe hinaufkommen.
    Als Tina sah, dass Saxon wieder der Alte zu sein schien, fiel ihr ein Stein vom Herzen. Er lächelte ihr zu, hängte Hut und Mantel auf und sagte: »Tja, das wär’s dann wohl. Entschuldige, dass es so spät geworden ist, ich dachte, die würden nie fertig. Mann, was da alles zu tun ist! Also … wie fühlt man sich, wenn man reich ist?«
    Er zog sie aus dem Sessel und küsste sie, aber sie merkte, dass er nicht bei der Sache war. Er war noch immer sehr aufgeregt und aus irgendeinem Grunde zornig.
    »Nicht so gut, um ehrlich zu sein. Du selbst bist ganz zufrieden, oder?«
    »Im Gegenteil … ich bin total unglücklich.« Er ließ sich schwer in einen Sessel fallen, streckte die Beine von sich und schaute sie an.
    »Bevor du anfängst, über mich herzufallen, weil ich so ›zufrieden‹ bin, wie du’s ausdrückst (ich bin allerdings zufrieden, ich fühl mich, als hätt’ ich schon seit einer Woche einen Rausch), vergiss nicht, dass ich mir das immer gewünscht hab, schon seit ich denken kann. Mehr als alles andere. Verstehst du?«
    Sie

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