Der Sommernachtsball
heute zur Sicherheit gleich vierzig Pfund abgehoben – ich dachte, vielleicht wollen wir ja ein bisschen feiern.«
»Na gut, dann kaufen wir eben den Mantel, und was das Feiern betrifft, das werden wir sehen. Ich weiß nicht so recht, ob ich feiern will – ja und nein. Ach, ich weiß nicht. Komm, gehen wir.«
Beide waren jetzt aufgeregt. Sie eilten aus den Mews, den alten Stallungen, hinaus und zur Oxford Street. Tinas Ängste hatten sich gelegt. Sie sah jetzt positiver in die Zukunft, ja, sie dachte sogar an ein Kind. Bis jetzt hatte sie kaum an ein Kind gedacht. Sie und Saxon seien einander genug (hatte sie sich eingeredet). Außerdem kostete ein Kind Geld, und sie hatten ohnehin kaum genug. Jetzt jedoch stellte sie sich einen kleinen dunkelhaarigen Jungen vor, das Ebenbild seines Vaters. Ihr schwoll das Herz in der Brust.
Das erinnerte sie, logischerweise, an Mr Spurrey, der kinderlos gewesen war.
»Saxon«, sagte sie, als sie an einer Fußgängerampel standen, »hast du je gedacht, dass so was passieren würde?«
»Dass wir reich werden, meinst du?«
»Dass Mr Spurrey dir was hinterlässt, das meine ich eigentlich.«
»Na ja«, sagte er, halb grinsend, halb trotzig und auch ein wenig beschämt, den Blick auf die Läden auf der anderen Straßenseite gerichtet, »der Gedanke ist mir schon mal gekommen, vor allem nach dem Abend, an dem er mich zu sich hat rufen lassen. Außerdem hat er was erwähnt, das hab ich dir doch erzählt. Armer alter Mist… alter Knabe«, fügte er brav hinzu.
»Aber du hast nicht …«
»Was?«
»Versucht dich bei ihm einzuschmeicheln, Saxon? In der Hoffnung, dass es sich auszahlt?«
Er schwieg einen Moment. Die Ampel schaltete von Rot auf Gelb und dann auf Grün, und die Leute begannen friedlich über die Straße zu schlendern. Dann sagte er:
»Nein, eigentlich nicht. Ich hab mir nur ein, zwei Mal gedacht, dass es sich lohnen könnte, sich gut mit dem Alten zu stellen. Aber so bin ich nun mal«, er drückte ihren Arm und schaute lächelnd zu ihr hinab, »bei dir war ich doch auch so, und es hat uns nicht geschadet, oder?«
»Bis jetzt nicht«, antwortete Tina vorsichtig. Dann fügte sie hinzu: »Du bist schon ein komischer Kauz, weißt du.«
»Ist das nicht jeder? Also, was ist nun mit diesem Pelzmantel?«
Sie entschieden sich für einen dichten, herrlich glänzenden Eichhörnchenfellmantel, mit einem breiten Kragen aus Fuchspelz. Er wurde zum Sonderpreis angeboten in dem Laden, in dem sie stöberten, heruntergesetzt von zweiundsiebzig Pfund auf dreiundzwanzig, wie ihnen der jüdische Geschäftsinhaber versicherte. Saxon war skeptisch, er fand den Mantel zu auffällig und meinte, ob sie nicht etwas Schlichteres nehmen sollten, das länger hielte? Aber Tina ließ sich nicht umstimmen. Das wäre genau der Mantel, den sich seine Mutter wünschen würde, so ein eleganter, unpraktischer, glamouröser Filmstarmantel.
»Und wie toll sie darin aussehen wird«, schwärmte Tina, die die abwesende Mrs Caker in der Erinnerung ein wenig milder sah.
»Wenn sie sich vorher das Gesicht wäscht, vielleicht schon.«
»Sei nicht so gemein.«
»Schon gut. Aber sie hat mich nie besonders gemocht, und ich bin ehrlich gesagt auch nicht besonders gut auf sie zu sprechen.«
»Saxon … wo wir doch solches Glück gehabt haben, Liebling. Überleg doch mal.«
»Na gut … alles, was du willst. Okay, dann nehmen wir den hier«, sagte er zu dem jüdischen Verkäufer, einem glattzüngigen kleinen Männchen mit müden Augen, der sein Interesse an ihrer Unterhaltung hinter einer gelangweilten Fassade verbarg.
Und so wurde der Mantel noch am selben Abend in Richtung Essex losgeschickt, in viele Lagen zartrosa Seidenpapier eingeschlagen und mit einem Briefchen von Saxon, in dem es hieß, sein Boss sei gestorben und habe ihm ein hübsches Sümmchen vermacht, und dies sei das erste von vielen guten Dingen, auf die sich seine Mutter nun freuen könne.
»Sie hat’s so schwer gehabt, Saxon«, klärte ihn seine Frau auf, »und es braucht so wenig, um jemanden glücklich zu machen.«
Saxon war anderer Meinung. Es hatte dreiundzwanzig Pfund gekostet, um Mrs Caker glücklich zu machen; dabei hätte sich das auch mit einer Flasche Bier und dem Einsiedler erledigen lassen können. Aber er sagte nichts. Und nachdem sie das Abendessen verzehrt hatten, das zu Hause auf sie wartete, lud Saxon Tina ins Kino ein, die Karte für fünf Shilling. Und so feierten sie den Gewinn eines Vermögens.
Am Tag darauf
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