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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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machten der Einsiedler und Mrs Caker nach dem Lunch einen Spaziergang zur Hütte des Einsiedlers, um zu sehen, wie sie den Winter überstanden hatte. Der Einsiedler selbst hatte ihn behaglich im Haus von Mrs Caker überstanden, mit sämtlichen Privilegien des verblichenen Mr Caker. Der Hütte dagegen war’s weniger gut ergangen: Sie war eingestürzt.
    »Da haben wir’s«, schimpfte der Einsiedler und trampelte mit seinen großen löchrigen schwarzen Halbstiefeln das Schöllkraut nieder, das am Bachrand wuchs. »Was soll ick jetzt machen? Kaum iss ma mal fünf Minuten wech, fällt alles zusammen, wa.«
    »Kannste ja bei mir bleiben«, schlug Mrs Caker vor, die sich während des Winters daran gewöhnt hatte, einen Mann im Haus zu haben, und die nicht gern alleine war.
    Der Einsiedler schüttelte seine grauen Locken. »Jeht nich. Dat wär unanständig, wär dat.«
    »Was soll denn das heißen, Dick Falger? Bist doch den ganzen Winter über och bei mir gewesen!«
    »Aye, aber das war im Winter. Und jetzt is Frühling, und da kommen die Leute, Wanderer und all so was.«
    »Was macht das für ’nen Unterschied?«
    »Die könnten sich’s Maul zerreißen.«
    »Na und? Lass sie doch! Dann haben se wenigstens was zu tun!«
    »Ah, aber meine Alte könnt’s erfahren.«
    »Was?«, kreischte Mrs Caker.
    »Jetzt schrei nich«, rügte sie der Einsiedler, »meine Alte, wie jesacht. Beatty. Die olle Beatty Falger. Lebt in der Nähe von Bedford … oder hat dort jelebt, soweit ick weeß.«
    »Aber du hast doch gesagt, sie is tot«, schrie Mrs Caker, den Tränen nahe. Sie gab ihm einen Hieb auf den Arm.
    »Klappe, Weib!«, brüllte er und versetzte ihr einen Schlag auf die Brust, dass sie rückwärtstaumelte. »Doch bloß weil du mir andauernd was vorjeheult hast, wa? Sie iss nich tot. Hoff ich zumindest. Ja, das hoff ich. Ich mag sie, die olle Beatty, aber sie is mir so auf die Nerven jegangen, immer wolltse Kinder (meine Schuld isses bestimmt nich, dass sie keene jekriegt hat). Ach, jetzt hör schon auf zu heulen, Nellie. Andauernd dieset Jerotz. Komm, wir jehn nach Haus und trinken ’n Gläschen Rosie.«
    Sie machten sich auf den Rückweg, Mrs Caker gekränkt ein paar Schritte hinter ihm. Nachdenklich sagte er:
    »Würdse jern mal wiedersehen, die olle Beatty. Muss jetzt schon ziemlich alt sein, an die siebzich. Hab sie seit elf Jahren nich mehr jesehn, nee, zwölf sojar.«
    Mrs Caker sagte nichts.
    Der Schlag hatte sie so erzürnt, wie man eine so gutmütige, schwache Person nur erzürnen konnte. Wie konnt ich nur so blöd sein, ihn überhaupt ins Haus zu lassen!, dachte sie. Ich hab einfach ein zu weiches Herz. Männer! Auf die kann ich verzichten. Ohne sie ist’s sowieso viel besser. Eingenistet hat er sich bei mir, den ganzen Winter lang, und jetzt will er abhauen, weil ihn die Wanderlust packt. Na, soll er doch. Auf den kann ich verzichten, auf den Dreckskerl.
    Es war mittlerweile ziemlich klar, dass der Einsiedler sich aus dem Staub machen wollte.
    Sobald sie St. Edmund’s Villas erreicht hatten (das auf der Besucherliste des Vikars für nächste Woche stand, nachdem er wochenlang von der Frau Vikar bearbeitet worden war: »Wenn du nicht hingehst, George, wer dann?«, und so weiter und so fort), verschwand der Einsiedler sofort nach oben. Mrs Caker, die immer zorniger und immer unglücklicher wurde, setzte inzwischen Tee auf. Sie hörte ihn oben rumtrampeln, Schubladen aufziehen und singen. Bald kam er wieder herunter, mit einem abgestoßenen Koffer von Marks & Spencer, der in seiner Riesenpranke verschwindend klein wirkte. Die Stiefel hatte er mit frischen Schnürsenkeln zusammengebunden, und er trug einen alten Mantel von Saxon, den ihm Mrs Caker aufgedrängt hatte, weil sie seinen aus Sackleinen, der mit Zeitungen ausgestopft war, kurzerhand verbrannt hatte.
    »Wo willst du denn hin?«, fragte sie unwirsch und knallte den Deckel auf die Teekanne.
    »Ab in die Heide. Bin schon viel zu lang hier rumjehockt«, verkündete der Einsiedler, goss etwa einen halben Liter Milch in seinen Tee und tat vier Stück Zucker dazu. »Also rech dich bloß nich uff, Nellie. Ich muss wech.«
    »Ich reg mich gar nicht uff«, entgegnete Mrs Caker erbost. »Is mir doch egal, was du machst, Dick Falger. Wie konnt ich bloß so tief sinken und einen wie dich ins Haus lassen! Schade, dass ich dich überhaupt ins Wohnzimmer gelassen hab. Hätt dich in der Waschküche stehen lassen sollen, so wie früher.«
    »Die Küche is jut jenuch für mich,

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