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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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seufzte.
    »Kann ich mir denken«, sagte Viola mitfühlend.
    »Nun ja, Liebe, Mr Wither – Vater und ich hatten das Gefühl, dass es einfach unsere Pflicht ist. Saxon kommt schließlich auch mit Tina zu Besuch, um als Schwiegersohn aufgenommen zu werden, da können wir seine Mutter ja schlecht ignorieren, oder? Und es liegt natürlich an uns, den ersten Schritt zu machen. Immerhin war die Arme ja früher mal ganz respektabel, es ist nicht alles ihre Schuld. Und natürlich wird sie jetzt eine regelmäßige Zuwendung bekommen, hat Tina gesagt.«
    »Hat sie mit dem Waschen aufgehört?«
    »O ja, Liebe – das habe ich zumindest von Mrs Parsham gehört. Sie hat einen kleinen Jungen zu all ihren Kunden geschickt und ausrichten lassen, sie würde von nun an keine Wäsche mehr annehmen. Nun ja, dann geh ruhig, Liebe. Aber ich verlass mich auf deine Hilfe, ja?«
    Und Mrs Wither lächelte Viola zu und verschwand im Wohnzimmer. Dort setzte sie sich hin und strickte und überlegte, wie viel doch im letzten Jahr passiert war und wie sie Mrs Caker, die heute um vier zum Tee kommen würde, am besten anpacken solle.
    Viola ging in die muffige kleine Bibliothek und machte die Tür hinter sich zu.
    Eine stille Stunde verging. Sie saß am Schreibtisch, den hellblonden Lockenkopf über den Briefblock gebeugt, während die helle Aprilsonne auf die ausgebleichten Rücken öder Bücher und die hässlichen, klobigen Möbel fiel. Es war ganz still, bis auf das Zwitschern der Spatzen, die vor dem Fenster auf dem leuchtend grünen Rasen herumflatterten. Als Viola die Uhr viertel vor vier schlagen hörte, legte sie den Füller beiseite und streckte sich gähnend. Briefe schreiben war ganz schön anstrengend.
    Sie hatte an Shirley geschrieben, an Mrs Colonel Phillips, Mrs Parsham und an den Apothekersohn, mit dem sie auf dem Hospiz-Ball getanzt hatte. Sie war ihm gelegentlich in Chesterbourne über den Weg gelaufen, und einmal hatte er sie sogar auf einen Kaffee eingeladen. Auch hatte sie einer Freundin von Shirley geschrieben, die eine kleine Boutique in London besaß, und Irene, der nettesten und großzügigsten aus der Meute (obwohl die Meute generell nicht geizig war). Über dem Brief an Lady Dovewood hatte sie eine Viertelstunde lang gebrütet, der war besonders demütig und flehend. Allen diesen Leuten hatte sie erklärt, dass Miss Edith Cattyman seit fünfzig Jahren bei Burgess and Thompson gearbeitet habe und nun, ohne eine Rente, zum Monatsende entlassen worden sei. Sie, Viola, wäre ungeheuer dankbar, wenn sie vielleicht freundlicherweise ein wenig Geld zu einem Fonds beitragen könnten, den sie in Miss Cattymans Namen bei der Post eröffnen wolle, und sie sei, hochachtungsvoll, Ihre ergebene Viola Wither.
    Sie lehnte sich zurück und überlegte. Waren das alle? Sie musterte den Stapel. Shirley, Parsham, Phillips, Dovewood, Morley, Irene, Mrs Givens … und die Springs. Ja natürlich! Ich muss unbedingt auch an die Springs schreiben . Der Gedanke war ihr ganz plötzlich in den Kopf geflogen. Mit heftig pochendem Herzen setzte sie sich auf.
    Ja, das sollte ich wirklich. Die sind doch so reich, und außerdem hat Tina mir erzählt, dass Mrs Spring eine schwache Konstitution hat und daher besonders viel an Krankenhäuser und so was spendet. Catty wird ihr sicher leidtun, da könnte ein schöner Batzen kommen.
    Sie wurde auf einmal von der wilden Sehnsucht gepackt, an Victor zu schreiben, ein »mein lieber« vor seinen Namen zu setzen und mit »die Ihre« zu enden. Und die Briefmarke ein ganz klein wenig schief aufzukleben, was einen Kuss bedeutete. Sie könnte nach dem Dinner rausgehen und einen schönen Abendspaziergang zur Wegscheide machen und den Brief dort einwerfen. Dann könnte sie den ganzen nächsten Tag lang überlegen, ob er ihn wohl schon bekommen hatte, ob er ihn jetzt gerade aufmachte, ob er jetzt wusste, dass er von ihr war … Und antworten musste er ja wohl – außer er schickte nur einen Scheck. Aber selbst dann hätte sie ja den Briefumschlag mit ihrem Namen in seiner Schrift und konnte ihn für immer und ewig aufheben.
    Sie wusste natürlich, dass sie ebenso gut an Mrs Spring oder sogar an Hetty hätte schreiben können (Hetty war so nett gewesen, im letzten Sommer auf dieser Gartenparty), aber ihre Sehnsucht war so groß, dass sie ihre Vernunft besiegte.
    Es ist ja nichts Unnormales, ihm deswegen zu schreiben, versicherte sie sich, es ist ja schließlich für Catty. Sie nahm erneut den Füllfederhalter zur Hand und

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