Der Sommernachtsball
zum Tee bei den Withers. Ich wünschte, Dick Falger könnt’ mich so sehen, der alte Bastard. Verrecken soll er, in einem Straßengraben. Damit isses vorbei. Von jetzt an werd’ ich respektabel, dachte Mrs Caker, die veilchenblauen Augen mit einem schalkhaften Funkeln auf die blassen, kurzsichtigen ihrer Gastgeberin gerichtet. Fünf Pfund pro Woche, hat er gesagt. Damit komm ich prima zurecht.
Die Idylle wurde ein wenig durch das Auftauchen von Mr Wither gestört. Er kam widerwillig hereingeschlichen, murmelte etwas, als Mrs Caker ihm wacker die Hand hinhielt, setzte sich und schlürfte eine halbe Tasse Tee, bevor er sich ebenso verstohlen wieder verdrückte. Er haderte mit dem Schicksal, das ihn zwang, eine Wäscherin auf The Eagles zu empfangen. Chauffeure, Verkäuferinnen, Wäscherinnen … wo sollte das noch hinführen?
Unten in der Küche debattierten Fawcuss, Annie und die Köchin immer noch darüber, ob sie Mrs Caker nun »Madam« nennen mussten. Diese Erniedrigung war ihnen heute noch einmal erspart geblieben, da Mrs Wither (die wusste, was unten geredet wurde) Mrs Caker ganz untypisch selbst geöffnet hatte. Aber was war zu tun, wenn sie es ein anderes Mal wieder mit ihr zu tun bekämen?
Fawcuss sagte nein. Schön, Pflicht sei zwar Pflicht, und es stand geschrieben, dass im Himmel mehr Freude sei über einen Sünder, der Buße tue, als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedurften, aber woher sollten sie wissen, ob Mrs Caker wirklich Buße geleistet hatte? Alles, was sie getan hatte, war, diesen verdorbenen Alten rauszuwerfen (wozu es höchste Zeit war) und in einem Pelzmantel herumzustolzieren, der eine arme Familie monatelang hätte ernähren können. Nein. Fawcuss verkündete, sie würde Mrs Caker mit »Mrs Caker« anreden, freundlich zwar, aber Madam würde sie nicht zu ihr sagen.
Annie und die Köchin schlossen sich an, und so kam eine Diskussion, die sie seit zwei Tagen führten, nachdem sie erfahren hatten, dass Mrs Caker zum Tee kommen solle, endlich zu ihrem Ende. Annie fügte noch hinzu, es wundere sie schon, dass die Herrin diese Frau überhaupt eingeladen hatte, wo doch das ganze Dorf wisse, was sie und dieser grässliche Alte getrieben hätten, das müsse die Herrin doch auch wissen, spätestens nach diesem schrecklichen Auftritt im Sommer.
Aber Mrs Wither machte das Beste aus einer unangenehmen Situation und beschloss, dass Mrs Caker gar nicht so schlimm war. Sie hatte ganz offensichtlich ein neues Kapitel in ihrem Leben aufgeschlagen, seit Saxon zu all dem Geld gekommen war. Auch Mr Wither hatte, zurück von einem seiner Verdauungsspaziergänge (die man getrost auch als Kontrollgänge bezeichnen konnte, so spähte er unter seinem Hutrand in die Gegend), berichtet, dass die Hütte des Einsiedlers eingefallen sei und er, Mr Wither, ihn weder vor dem Green Lion herumlungern noch in der Nähe der Behausung von Mrs Caker habe sehen können. Jetzt, wo der Einsiedler weg war und Mrs Caker von ihrem Sohn eine neue Garderobe spendiert bekommen hatte, wo sie ihre Arbeit als Wäscherin aufgegeben hatte und offensichtlich bemüht war, bei den besseren Leuten ein wenig vorteilhafter dazustehen, war Mrs Caker nach Mrs Withers Meinung einigermaßen akzeptabel. Sie verabschiedete sich mit dem Gefühl von Saxons Mutter, eine ganze Menge Barrieren überwunden und künftige Treffen zwischen beiden Familien damit um einiges erleichtert zu haben.
Kurz vor dem Abendessen tauchte Madge auf, mürrisch und stumm. Sie hatte einen ausgedehnten Spaziergang mit Polo gemacht, um Mrs Caker nicht begegnen zu müssen, denn auch sie fand, wie ihr Vater, dass es des Guten zu viel sei, jetzt auch noch eine Wäscherin zum Tee zu bitten. Mrs Wither hatte sich mit irgendeiner Ausrede für Madges Fehlen entschuldigt, doch Mrs Caker hatte sich dadurch keine Sekunde lang täuschen lassen. Sie kannte Menschen wie Madge in- und auswendig.
Der schöne Frühlingsabend ging langsam seinem Ende zu. Um halb neun schlüpfte Viola aus dem Haus, um ihre Briefe einzuwerfen. Langsam, weil es ein so schöner Abend war, schlenderte sie die schmale weiße Straße entlang, die sich am Eichenwäldchen hinzog. Die Eichen trieben die ersten frischen grünen Blätter, genau wie vor einem Jahr, an ihrem ersten Abend auf The Eagles; die Luft war mild, und es roch nach frischem Grün. Am Himmel funkelte ein einzelner Stern, und irgendwo im Gebüsch sang eine Drossel. So schön war es, dass es einem das Herz hätte brechen können,
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