Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
Vom Netzwerk:
wirst es doch versuchen, oder, Onkel Frank? Versuchen, Tante Rose zu überreden, dass ich zu euch kommen darf? Denn weißt du, ich wollt Tante Edna heute sowieso sagen, dass ich fortgehen und in London leben will. Du verstehst sicher, wie viel besser es klingen würde, wenn ich sagen könnte, dass ich zu Verwandten ziehe, anstatt mir ganz allein was bei Fremden zu suchen?«
    »Aber deine Tante Rose und ich, wir sind Fremde für dich, Hetty«, meinte er und setzte sich in Bewegung. Langsam durchquerten sie den Obstgarten. »(Ach du meine Güte, wir sind ja fast eine Stunde lang hier gewesen!) Das alles ist ein großer Schritt, weißt du, und du solltest dir wirklich alles sehr gut überlegen. All das hier aufzugeben, all diesen Luxus und Komfort«, er schaute sich seufzend um, »für ein Leben in einem Zimmerchen über einem Buchladen.«
    »Aber genau das habe ich mir doch immer gewünscht!«, rief sie aus. »Ich hasse es hier. Es ist alles so tot. Hier kann ich einfach nicht ich selbst sein. Vielleicht entspricht es anderer Leute Vorstellung von Schönheit, aber nicht meiner. Ich wollte immer was … ich weiß nicht. Irgendwas Härteres.«
    Er nickte, als könne er sie verstehen.
    »Und ein so großer Schock kann es nicht werden für Tante Edna«, fuhr sie fort, »sie weiß schließlich, dass ich immer von hier weg und aufs College gehen wollte.«
    »Aber College und Unterhalt, das wirst du dir mit deinem Einkommen nicht leisten können, meine Liebe.«
    »Dann nehme ich eben einen Kredit auf mein Kapital auf«, verkündete sie rücksichtslos, »und zahl es wieder zurück, wenn ich Arbeit habe.«
    »Aber die kriegt man heutzutage nicht mehr so leicht, Hetty. Und was deine Tante Rose wohl dazu sagen würde – ein Mädchen mit Einkünften aus Kapital, das sich eine Arbeit sucht. Denn weißt du, du würdest sie einem Mädchen wegnehmen, das vielleicht wirklich darauf angewiesen wäre.«
    Hetty schwieg. Sie hatte allmählich das Gefühl, dass sie und Tante Rose nicht allzu gut miteinander auskommen würden. Tante Rose mochte hehre Prinzipien und einen ausgezeichneten Geschmack für Blumen haben, aber sie schien nicht zu den Menschen zu gehören, mit denen man gut auskam.
    »Aber darüber können wir später noch reden«, fügte er hinzu. »Deine Tante Rose wird sich freuen, riesig freuen, deine Probleme in aller Ruhe mit dir zu bereden. Wenn sie gibt, dann gibt sie von ganzem Herzen. Aber was ich unbedingt noch wissen muss, bevor ich versuche, meinen Zug zu erwischen: Willst du wirklich zu uns kommen? Denk nach, Hetty. Lass dir Zeit. Willst du, nach reiflicher Überlegung, wirklich zu uns kommen? Sag die Wahrheit: Ich kann’s verstehen, falls du’s dir doch noch anders überlegst, und werde dir nicht böse sein.«
    Sie waren instinktiv abgebogen und verschwanden nun im Rhododendrengebüsch, wo Hetty letzten Sommer mit der heulenden Viola gesessen hatte und wo man sie von den Tennisplätzen weiter oben nicht sehen konnte. Hetty betrachtete das eifrige, mitfühlende, aber durchschnittliche Gesicht ihres Onkels. Er war ein klein bisschen lächerlich, mit seiner unverblümten Redeweise und der Art, wie er seine Frau fast vergötterte, aber Hetty wusste, dass sie mit ihm zurechtkommen würde und dass er, wenn’s drauf ankam, ein Mann von gesundem Menschenverstand war. Wegen ihm machte sie sich keine Sorgen. Nein, das Problem war Tante Rose. Ernsthaft, offenbar skrupellos ehrlich – mit solchen Leuten war nicht gut Kirschen essen. Man ist gezwungen, ihre Aufrichtigkeit zu bewundern, und damit sogleich in einer unvorteilhaften Position. Doch plötzlich kam ihr der Gedanke, dass sie ja jederzeit ausziehen konnte, wenn sie nicht mit Tante Rose zurechtkam. Ja, ich kann ja gehen, wenn sie versuchen sollte, sich zu sehr in meine Angelegenheiten einzumischen. Sie sagte:
    »Ja, Onkel Frank, das will ich wirklich.«
    »Ganz sicher?«
    »Sicher. Denn weißt du, nach allem, was du mir erzählt hast, oder ich sollte vielleicht besser sagen, schon nach dem wenigen, das ich jetzt über euch weiß, bin ich mir sicher, dass das genau das Leben ist, das ich mir immer gewünscht habe.«
    Er wirkte geschmeichelt.
    »Ja, das kann ich verstehen. Wir kennen ja auch eine ganze Menge interessante Leute unter den Linken, von Tante Rose’s Parteiarbeit her – aber nicht nur Linke. George Crumley schaut zum Beispiel oft bei uns vorbei (ein Quäker, Freund der Minenarbeiter, du hast sicher schon von ihm gehört) und Alice MacNoughton und E. E.

Weitere Kostenlose Bücher