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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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Tyler und Donat Mulqueen und Roger Brindle …«
    »Donat Mulqueen?«
    Bei ihrem Ton blickte er auf und musterte sie scharf; dann lächelte er. Sie erwiderte sein Lächeln nicht. Sie dachte: Intelligent ist er nicht, aber dumm auch nicht. Er ist scharfsinnig, und es ist nicht leicht, ihn zu täuschen.
    »Du kennst seine Schriften?«, erkundigte er sich und gab sein Lächeln aus Rücksicht auf ihre ernste, eher gelangweilte Miene auf.
    »O ja.«
    »Eine Bewunderin, nehme ich an?«
    »Allerdings.«
    »Schön, schön, also wir sind recht gut mit ihm bekannt. Er kommt oft in unseren Laden. Tante Rose füttert ihn dann immer, den armen Jungen.«
    »Wieso? Hat er denn nicht genug zum Leben?«
    »So gut wie gar nichts, soweit ich es verstehe, außer das, was er mit seiner Schreiberei verdient, und vor der schrecken die kommerziellen Blätter und Verlage natürlich zurück, weil sie zu anspruchsvoll und außerdem obszön ist (ich persönlich halte nicht viel von seinen Sachen, aber deine Tante Rose sieht in ihm einen neuen Keats). Und die anderen Zeitungen, die intellektuellen, können kaum was zahlen, die haben ja selbst kein Geld.«
    Sie sagte nichts.
    »Und dann«, fuhr er fort, »wenn er mal was hat, dann gibt er’s für Alkohol aus.«
    »Wirklich?«
    »Alle diese Burschen – Roger Brindle, Donat, alle, sie trinken wie die Löcher, Hetty. Die sind nie richtig nüchtern. Das kannst du dir nicht vorstellen. Alkohol scheint für sie so eine Art Religion zu sein. Ich weiß nicht, wie ich’s beschreiben soll. Dabei haben sie überhaupt keine Freude daran, null. Ich finde das alles höchst besorgniserregend, aber deine Tante Rose ist da toleranter, sie meint, es sei nur ein weiteres Anzeichen für den Verfall des kapitalistischen Systems und somit unvermeidlich.«
    Das alles klang höchst vielversprechend. Einen größeren Kontrast zu Grassmere konnte man sich kaum vorstellen, wo jeder seinen Drink genoss und nie etwas verfallen durfte.
    Aber was bildete sich Tante Rose eigentlich ein, mit ihrer Toleranz auf Donat Mulqueen herabzusehen? Und ihn mit Keats zu vergleichen? Das würde nur ein Narr tun. Sein Werk ließ sich mit nichts und niemandem vergleichen, es war vollkommen eigenständig.
    Sie gingen nun langsam über den Rasen zum Ausgang. Da besann sich Hetty plötzlich (reichlich spät) auf ihre Manieren.
    »Verzeih, Onkel Frank, ich war so hingerissen von dem, was du gesagt hast, dass ich ganz vergessen habe, dir was anzubieten. Eine Tasse Tee? Oder vielleicht einen Cocktail? Und Tante Edna wirst du sicher auch noch sehen wollen.«
    »Ach nein, danke, meine Liebe«, wehrte er hastig ab, »ich hatte schon eine Tasse, als ich in Blackbourne auf den Bus gewartet habe. Und deiner Tante Edna geh ich wohl lieber aus dem Weg, außerdem reicht die Zeit nicht mehr. Sie wird dies sicher für einen höchst eigenartigen Besuch halten, wie ich mich hier rein- und wieder rausschleiche und dich ganz durcheinanderbringe, aber siehst du, deshalb habe ich ja gleich nach dir gefragt – damit sie mir nicht verweigern konnte, dich zu sehen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das wirklich versucht hätte, Onkel, aber ich bin trotzdem unheimlich froh, dass wir unter vier Augen reden konnten, sonst hätten wir das alles sicher nicht vereinbaren können.«
    »Tja, nun, Hetty, das geht mir genauso – das heißt, wenn du dir wirklich sicher bist?«
    »Ganz sicher, Onkel Frank. Du hast nur das Streichholz an etwas gehalten, das schon seit sieben Jahren darauf wartet, endlich entzündet zu werden.« (Onkel Frank schaute ein wenig erschrocken drein.) »Also dann, auf Wiedersehen«, sie bot ihm ihre Hand, »ich werde dir schreiben, sobald ich alles arrangiert habe, dann kannst du mich wissen lassen, ob ich kommen kann.«
    »Das werde ich, Hetty. Frank Franklin, Acre Street, WC 2, das ist meine Adresse. Auf Wiedersehen.«
    Er ging zum Tor, und sie blickte ihm nach. Als er schon ein Stück weg war, rief sie ihm, beinahe herausfordernd, hinterher: »Ach, Onkel Frank – und grüß mir Tante Rose!« Er drehte sich um, nickte und winkte.
    Mit einem flauen Gefühl im Magen ging sie zur Party zurück. Da stand ihr ein Riesenkrach bevor.
    Mrs Spring saß mit einigen älteren Gästen auf der Veranda, eine elegante Gestalt in Schwarz-Weiß mit mutig gefärbtem, kastanienrotem Haar. Hettys ausgedehnte Abwesenheit war ihr natürlich aufgefallen. Suchend huschte ihr Blick umher, während sie sich unterhielt, die Augen ein wenig getrübt von den

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