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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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geschrieben. Bücher sind mein Lebensinhalt.«
    »Ah ja, wundert mich nicht. Dein Vater war genauso, ganz verrückt nach Büchern. Deine Tante Rose und ich«, er machte eine gleichzeitig empörte, aber auch sehr zufriedene Miene, »wir sind natürlich immer davon ausgegangen, dass du uns deshalb nicht schreibst, weil wir nur einen kleinen Laden haben. Wir dachten, du wärst eine unerträgliche, bourgeoise Snobistin, Hetty, ein Parasitin, die sich von der Gesellschaft ernährt, zu der sie keinen Beitrag leistet, ein typisches Produkt des kapitalistischen Systems eben. Trotzdem haben wir nie aufgehört, uns für dich zu interessieren, mein Kind, schließlich kennen wir dich schon, seit du ein Säugling warst. Deshalb haben wir manchmal deiner Tante Spring geschrieben und nach dir gefragt.«
    »Das hat sie mir nie gesagt. Überhaupt nichts hat man mir gesagt. Also wirklich, das ist die Höhe! Dumme, engstirnige …«
    »Unsere letzten drei Briefe hat sie nicht beantwortet, Hetty, daraufhin haben wir natürlich nicht versucht, Verbindung mit dir aufzunehmen, weil wir dachten, dass du uns nicht sehen willst. Erst deine Tante Rose«, fuhr Onkel Frank begeistert fort, »ist dann auf die Idee gekommen, dass es deine Tante Spring sein könnte, die nicht will, dass du uns kennenlernst. Deine Tante Rose, die natürlich ein reiner Materialist ist, was alle religiösen Fragen betrifft, hat manchmal trotzdem diese, ich möchte es Eingebungen nennen. Göttliche Eingebungen, möchte man fast meinen. Das sag’ ich natürlich nicht zu ihr, um Gottes willen, sie ist so sensibel, was ihre Eingebungen betrifft.«
    »Was müsst ihr nur von mir gehalten haben!«, sagte Hetty leise.
    »O nein, Hetty, keine Sorge. Wir hielten dich einfach für das hilflose Produkt eines korrupten, verfaulten Systems«, meinte Onkel Frank tolerant, »wir sind alle nur Rädchen im Getriebe, Hetty, wir können gar nicht anders. Aber darüber reden wir ein andermal, ja? Die Hauptsache ist, dass ich dich erst mal gesehen habe« – er zählte die Punkte mit dem Zeigefinger auf seiner flachen Hand ab –, »dass wir miteinander geredet haben und dass du uns nächstes Mal, wenn du in London bist, besuchen kommst, oder? Und deine Tante Rose kennenlernst. Deine Tante Rose ist eine unglaublich gute Frau, auch wenn man ihr das nicht immer gleich anmerkt. Ich, der ich sie so gut kenne, weiß es besser. Sie braucht immer ein bisschen Zeit, bis sie mit jemandem warm wird, aber wenn, dann …. ah …« Er machte ein Gesicht, als ob das Entzücken in diesem Fall unbeschreiblich wäre. Mühelos erhob er sich von seinen Ziegelsteinen (und jeder, der mal auf drei Ziegelsteinen gesessen hat, der weiß, was das für eine Leistung ist), nahm seine Bücher und warf erst einen fragenden Blick zum Obstgarten und dann auf Hetty, wie um zu sagen: Sollten wir nicht los?
    Aber Hetty blieb störrisch sitzen. Resolut sagte sie:
    »Onkel Frank, dürfte ich nicht vielleicht kommen und bei euch wohnen? Bei dir und Tante Rose in London? Ich würde natürlich für mich selbst aufkommen. Ich bekomme hundert Pfund im Jahr, und jetzt, wo ich volljährig bin, gehört mir das Geld, und ich kann damit machen, was ich will. Wenn ich dir und Tante Rose ein Pfund pro Woche gäbe, dürfte ich dann bei euch wohnen? Wenn ihr eine kleine Dachbodenkammer hättet, das wäre einfach ideal. Ich würde euch ganz bestimmt nicht zur Last fallen. Ich will einfach nur lesen, den ganzen Tag lesen und mir irgendwann dann vielleicht eine Arbeit suchen.«
    »Ach du liebe Güte, Hetty, nicht so schnell! Da komme ich nicht mit!«, rief Onkel Frank erschrocken, aber auch froh, ja sogar triumphierend. »So was lässt sich doch nicht so hopplahopp regeln. Und in was ist dein Geld eigentlich investiert? Ich fürchte, Tante Rose hat da sehr strikte Vorstellungen. Wenn es zum Beispiel in irgendeiner Waffenfirma steckt, dann wird Tante Rose sich gewiss weigern, dich als zahlenden Gast aufzunehmen … als Mieter, oder wie soll ich sagen? … Als Pensionsgast ! Als Snob hat man es eben einfach, nicht wahr? Tja, äh …«
    »Mein Cousin (der sich um meine Geldangelegenheiten kümmert) hat nie was von einer Rüstungsfabrik oder so was gesagt«, meinte Hetty, »ich glaube, der Großteil ist in Staatsanleihen angelegt … aber das wird Tante Rose«, (sie versuchte, nicht allzu sarkastisch zu klingen), »wahrscheinlich auch nicht gefallen, oder?«
    »Schlimm genug, Hetty, schlimm genug, aber nicht so schlimm wie Waffen.«
    »Aber du

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