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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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sich darauf. Dann bedeutete er Hetty, sich wieder auf die ihren zu setzen. Sie ließ sich stumm nieder und schaute ihn neugierig an.
    »Zuallererst einmal möchte ich dir das hier geben«, begann er eifrig, »die waren meine Idee.« Er hielt ihr das runde weiße Päckchen hin. »Wir wissen zwar noch nicht, was dir so gefällt, aber das wird sich ja hoffentlich bald ändern. Aber ich dachte mir, Veilchen mag doch jeder.«
    Hetty bedankte sich murmelnd und riss das Papier auf. Zum Vorschein kamen die schönsten, größten, dunkelsten Veilchen, die sie je gesehen hatte. Sie schnupperte ihren zarten Duft, dann sagte sie mit aufrichtiger Freude:
    »Ach, die sind aber schön! Wirklich nett. Ich hätte mir nichts Besseres wünschen können. Sie – du wusstest also, dass ich heute Geburtstag habe?«
    »Das sind die berühmten Windward-Veilchen«, sagte er und schaute die Veilchen fast ein wenig selbstgefällig an. »Oh, ach ja, ja, natürlich wussten wir, dass du heute Geburtstag hast. Deine Tante Rose und ich, wir haben deinen Lebensweg mit großem Interesse verfolgt (so gut wir konnten jedenfalls), seit du ein Säugling warst. Wir wollten dich nämlich mal adoptieren, weißt du.«
    »Ach, der Onkel bist du? Ich wusste nur, dass da mal jemand war, der …«
    »Ja. Denn siehst du, deine Tante Rose und ich, wir haben keine Kinder. Wir … nun, wir haben keine Kinder. Aber deine Tante Spring fand, es wäre besser für dich, wenn du zu ihr kämst, da hättest du’s viel bequemer … und es ist ja auch ein wunderschönes Haus, nicht? Und so groß.«
    »Ich hasse es«, antwortete Hetty schlicht.
    »Ach ja? Ach ja, wirklich?«, sagte er eifrig und, wie es schien, erfreut. »Wieso das denn? Kannst du es etwa nicht ertragen, in solch einem Palast zu leben, während Millionen hungern und sich nicht mal ein Dach über dem Kopf leisten können?«
    »Nein, eigentlich nicht, Onkel Frank. Es ist nur, das Leben hier geht mir einfach auf die Nerven, es ist so oberflächlich, und ich darf nie das tun, wonach mir wirklich ist.«
    »Und das wäre? Ach du meine Güte, ich rede und rede, dabei habe ich dir noch nicht einmal die Hälfte von dem ausgerichtet, was deine Tante Rose dir sagen lässt, und auch nicht, was mich ausgerechnet heute hierherführt … vielleicht möchtest du ja jetzt wieder zu deinen Freunden zurück?«
    »Nein, die können warten. Das sind sowieso nicht meine Freunde, sondern die von Tante Edna. Nein, bleiben wir noch, ich freue mich so. Also bitte, sag, was dich herführt.«
    »Nun ja, hauptsächlich diese Buchauktion heute Vormittag, in einem Ort namens Blackbourne (du kennst ihn vielleicht), da musste ich unbedingt hin, und deine Tante Rose hat gesagt, Frank, warum nicht den Stier bei den Hörnern packen und versuchen , wenigstens versuchen , Hetty zu sehen.«
    »Onkel Frank«, unterbrach Hetty, »du sagst, du ›musstest‹ zu dieser Auktion. Wieso denn?«
    »Ach, meine Liebe, weil ich Buchhändler bin, wusstest du das nicht? Deine Tante Rose und ich, wir haben einen kleinen Buchladen in der Charing Cross Road, Ecke Acre Street.«
    »Nein, das wusste ich nicht«, sagte Hetty und starrte den Birnbaum an.
    »Na ja – aber hat dir deine Tante Spring denn nie was von uns erzählt?«
    »Onkel Frank«, sagte sie ruhig, »ich hab bis vor fünf Minuten nicht mal gewusst, dass du existierst. Man hat mir immer gesagt, dass die Familie meines Vaters … na ja, nicht gerade wohlhabend ist und … und ziemlich studiert … und dass sie es nie zu was gebracht hat – du weißt schon …«
    »Nie zu Geld gebracht«, nickte er. »Ja, ich kann mir vorstellen, was man dir gesagt hat. Hetty, bevor wir weiterreden, ich muss dir sagen, dass deine Tante Rose Kommunistin ist, aktive Kommunistin, und dass sie für die Revolution in England kämpft. Und ich selbst bin Sozialist, ein Fabier, um genau zu sein. Tja, nun. Was wolltest du sagen?«
    »… also, ich wusste nur, dass da zwei Onkel sind und dass mich einer davon adoptieren wollte …«
    »Das war ich – deine Tante Rose und ich. Dein anderer Onkel, Henry, ist nicht verheiratet. Er ist Bibliothekar und lebt in York.«
    »… und ich hatte immer den Eindruck, dass sich die Familie meines Vater nicht besonders um mich schert, dass sie …«
    »… dich bloß adoptieren wollten, um an dein Geld ranzukommen«, ergänzte Onkel Frank, überhaupt nicht gekränkt. »Ja, was noch?«
    »… dass du einen Buchladen hast, das hab ich nie gewusst«, endete sie, »sonst hätte ich dir längst

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