Der Sommernachtsball
morgen zurückbringen solltest, auf einen Mann hören sie eher.«
»Morgen hab ich keine Zeit. Mach es doch selbst. Du fährst doch auch rauf nach London, oder?«
»Weiß ich noch nicht. Ich hasse es, schon Stunden im Voraus festlegen zu müssen, was ich tue. Jedenfalls …«
»Was ist das da draußen?« Er wies mit dem Kopf zum Garten.
»Hettys einundzwanzigster. Das hast du doch nicht etwa vergessen?«
»Ach ja, stimmt. Bleiben die auch zum Abendessen?«
»Die nicht, aber es kommen andere, so um halb neun. Könnten wir nicht lieber noch mal nach Stanton fahren und Tanzen gehen? Ich kann deine Cousine beim besten Willen keinen ganzen Abend lang ertragen, sie ist einfach unausstehlich. Was glaubst du, was sie heute früh zu mir gesagt hat? Vic – so hör doch mal zu! Musst du einfach verschwinden, wenn ich mit dir rede?«
»Muss mich umziehen«, rief er über die Schulter.
»Jedenfalls, ich finde, du solltest wirklich mal mit ihr reden. Aber das tust du ja nie! Immer hältst du zu ihr. Es genügt schon, dass ICH dich bloß mal bitte, was zu ihr zu sagen, damit du es NICHT tust!«
Er verschwand in einem der oberen Korridore.
»Vic!«, rief sie ihm nach, » hast du den Ring schon abgeholt? «
»Nein, das macht morgen meine Sekretärin.«
Er ging in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Phyllis hetzte ins Morgenzimmer, als ob sie zu spät dran wäre. Sie holte ihr Verlobungsbüchlein hervor und studierte die eng beschriebenen Seiten, dann starrte sie unzufrieden aus dem Fenster.
Man erwartet natürlich, dass die letzten Wochen vor einer Hochzeit höllisch sind; all ihre jung verheirateten Freundinnen hatten das durchgemacht. Sie hatten sie gewarnt – und wie recht sie hatten. Sie war selbst schon mehrmals Brautjungfer gewesen, bei Anthea, bei Gillian und natürlich bei Rosemary, Jennifer und Anne. Sie hatte zugeschaut, wie sie immer dünner und immer gereizter und immer nervöser wurden, je näher der Tag heranrückte. Und je aufwendiger die Hochzeit war. Je aufwendiger, desto mehr konnte schiefgehen.
Aber weder Anthea noch Gillian, Jennifer, Rosemary oder Anne hatten es mit einem Victor zu tun gehabt. Ihre jungen Männer waren nicht so verstockt und störrisch, so grausam und uninteressiert an allem gewesen, von der neuen Wohnung über die Hochzeitsfeier bis zu den Flitterwochen. Es kam ihr vor, als wäre sie mit einem Holzknüppel verlobt, dachte sie wütend, einem dummen, verstockten, sturen Holzknüppel. Küssen wollte er sie auch kaum noch, und wenn, dann war ihr nicht danach. Außerdem konnte er nicht gut küssen. Das Problem war, sie kannte ihn einfach zu gut. Sie wusste meistens schon im Voraus, was er als Nächstes sagen würde. Einmal hatte sie es ihm tatsächlich vorweggenommen. Da war er total gekränkt und beleidigt gewesen, war richtig klein geworden. Noch schlimmer war’s, wenn er mal die Beherrschung verlor, das hasste sie am allermeisten, weil sie dann das Gefühl hatte, dass er sie zwingen konnte zu tun, was er wollte, bloß weil er stärker war als sie. Sie sah inzwischen einfach nur noch rot, wenn sie bloß an ihn dachte. Sie stand am Fenster und starrte in den Garten hinaus, wo sich die Gäste verabschiedeten. Ihre Gedanken rasten auf der Stelle wie in einem Hamsterrad, getrieben von Unzufriedenheit und nervöser Erschöpfung. Ihre Freundinnen machten sie auch durch, diese schwarzen, abgrundtiefen Wutanfälle auf die bessere Hälfte; wie oft hatte sie ihnen zugehört, Ratschläge gegeben und dabei eine Zigarette nach der anderen geraucht. Aber es war das erste Mal, dass sie so einen Wutanfall auf Victor hatte. Wenn er doch bloß anders wäre! Ganz anders. Wie genau, hätte sie nicht sagen können.
Und all die Dinge, die noch schiefgehen konnten, so kurz vor der Hochzeit. Diese Idioten mit dem Armband, und jetzt hatten diese anderen Idioten die Schuhe der Brautjungfern auch noch falsch eingefärbt, und dann noch diese nervtötende Verzögerung wegen der handgestickten Tagesdecken für die Betten im Schlafzimmer. Die Frau des Minenarbeiters drunten in Wales, die sie machen sollte, hatte eine Fehlgeburt erlitten oder so was und musste nun eine Zwangspause einlegen, und sosehr Phyllis das auch bedauerte, die Hochzeit war doch auch wichtig, oder? Und sie, Phyllis, gab der Frau schließlich Arbeit, nicht wahr, und als sie es wagte, bei der Firma anzufragen, ob man den Auftrag nicht jemand anderem übertragen könnte, hatten die sie angeschaut, als ob sie wer weiß was gesagt
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