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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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Schmerzen. Ihr Kopfweh war immer schlimmer geworden, sie fragte sich allmählich, wie sie den Abend durchstehen sollte, und sie war wütend auf Phyl und Hetty, denen sie die Schuld an ihrem Zustand gab.
    Da war sie ja, Hetty, lungerte bei einem Geranienbeet herum. Wie schlampig sie mal wieder aussah! Und gelangweilt. Mrs Spring winkte streng, und Hetty kam gehorsam angeschlendert. Sie war immer noch ganz betäubt von Onkel Franks Besuch, den sie mehr und mehr als ein Geschenk des Himmels begriff.
    Hetty sah sofort, dass es ihrer Tante mal wieder nicht gut ging, obwohl diese das unter einer gelassen-heiteren Maske zu verbergen versuchte. Sie war zornig, hatte aber auch Mitleid. Mrs Spring hatte Briefe zurückgehalten und Leute schroff abgewiesen, die nur freundlich sein wollten; sie hatte alles getan, um Hetty von der Familie ihres Vaters fernzuhalten. Und dennoch hatte sie das alles sicher nur gut gemeint, das wusste Hetty. Ach, die Menschen waren einfach fürchterlich! So kompliziert, so anstrengend, so … unmöglich, ein klares Urteil über sie zu fällen. Die simpleren unter ihnen waren einfach nur langweilig und nervtötend. Ach, was lob ich mir da meine Bücher, dachte Hetty, und das nicht zum ersten Mal.
    Eine Stunde später tauchte auch Victor auf. Phyllis, die die Treppe herunterkam, fiel sofort über ihn her, während er seine Briefe von dem Bambustablett in der Eingangsdiele nahm. Sie hatte sich bereits für den Abend umgezogen und trug ein elegantes, eng anliegendes, schwarz-gelb geringeltes Kleid, in dem sie wie eine schöne, schlanke, zornige Hornisse aussah.
    Victor schaute nur kurz auf und beschäftigte sich sogleich wieder mit seinen Briefen. Das machte er absichtlich, um sie zu reizen. Sie ging ihm in letzter Zeit so auf die Nerven, dass er sie kaum noch ertragen konnte und irgendein Ventil brauchte. Es würde sicher besser werden, wenn sie erst verheiratet waren, redete er sich ein. Falls nicht, dann gute Nacht.
    Warum konnte sie ihn nicht ein Mal in Ruhe lassen? Andauernd nörgelte sie an ihm herum, wollte etwas. Warum er nichts zu den Sitzkissen sage, die sie für die (blöde) Essecke ausgesucht habe? Könne er denn nicht wenigstens bei der Vorführung des Fernsehapparats dabei sein? Das sollte er wirklich; er könne doch ein Mal eine Stunde später ins Büro gehen, oder? Bla … bla … bla … und seit Monaten machte er Überstunden beim Projekt Bracing Bay.
    Frauen waren schließlich bloß für eins gut …
    »Vic«, schnatterte Phyllis los, »du hast wohl nicht an mein Parfüm gedacht?«
    »Nein. Bin heute auch gar nicht ins West End gekommen.« Die Briefe durchsehend ging er zur Treppe; er sah müde aus.
    »Darling, solltest du nicht vielleicht doch mal zum Arzt gehen? Heute früh warst du weg, bevor ich runterkommen konnte, dabei hatte ich dich ausdrücklich gebeten zu warten, damit ich dir die Sache mit dem Smaragdarmband erklären kann. Diese Idioten haben es zu weit gemacht, und jetzt verliere ich es immer.«
    »Ah.«
    Er hatte den letzten Brief in der Hand. Er war auf Papier von Woolworth geschrieben, in einer kindlichen, ungebildeten Handschrift. Und dennoch schien ihn der Brief total zu fesseln.
    »Vic.«
    »Was?«
    Er schob den Brief in seine Jackentasche und lächelte seine Verlobte zum ersten Mal seit langem an. Das Lächeln war so säuerlich, wie es seine männlich-attraktiven Züge zuließen. »Aha, neues Kleid. Hübsch. Das sollte ich doch wohl sagen, oder?«
    Der komische kleine Brief, so ungeschickt formuliert, diese Bitte um Hilfe für irgendein altes Tantchen, das alles ging ihm geradewegs ans Herz. Er spürte ihn, den Brief, dort in seiner Brusttasche, fast als verströme er eine richtige Wärme. Süße Kleine. Süße, komische Kleine. Pass bloß auf, schienen seine haselnussbraunen Augen zu Phyllis zu sagen (er gab ihr diesen flinken, alles umfassenden Blick, den Frauen so an ihm bewunderten), treib mich nicht zu weit, du miesgelaunte … Was hat dich JETZT schon wieder gebissen, sagten seine Augen.
    »Freut mich, dass es dir gefällt, du kriegst schließlich demnächst die Rechnung dafür, das heißt dann, dass du es in Ordnung findest. Hörst du mir überhaupt zu, Vic? Was ich von dem Armband sage?«
    Er schickte sich an, die Treppe hinaufzugehen. »Klar. Zu eng. Passt nicht. Pech«, sagte er, um sie zu reizen. Er hatte sehr wohl gehört, was sie gesagt hatte.
    »Zu weit , hab ich gesagt, nicht zu eng. Warum hörst du mir nie zu? Also ich finde wirklich, dass du es

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