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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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könnte, der illegalerweise die Nacht am Fußende ihres Betts verbracht hatte. Es stimmte, er hatte ihnen wahrscheinlich das Leben gerettet, aber man wusste nie, wie Mr Wither die Sache sehen würde. Vielleicht würde er ja behaupten, Polo sei schuld am Feuer.
    Sie drückte Viola die improvisierte Hundeleine in die Hand und rannte die Stufen zum Haus hinauf.
    »Margaret! Komm sofort zurück!«, röhrte Mr Wither.
    Sie rief etwas und winkte ab, dann verschwand sie in der raucherfüllten Eingangsdiele.
    Zwei Minuten später flog das Fenster auf, das am weitesten vom Brandherd entfernt war, und Madge streckte den Kopf heraus. Es war Tinas altes Zimmer, das nun als eine Art Deponie für die Sachen diente, die man in die Altkleidersammlung geben wollte.
    »Hier geht’s noch!«, brüllte Madge und winkte. Ihr schien die ganze Aufregung zu gefallen. »Komm rauf, Vi, und hilf mir mal! Wir haben noch Zeit, um …«
    Sie verschwand.
    Viola drückte Fawcuss Polos improvisierte Leine in die Hand und rannte ebenfalls aufs Haus zu. Mr Wither brüllte, Mrs Wither wimmerte, Viola achtete nicht drauf. Das Ganze kam ihr vor wie ein Alptraum. Sie war noch gar nicht ganz wach, so tief hatte sie geschlafen, als Madge sie aus dem Bett geholt hatte. Sie hatte nur ein dünnes, ärmelloses Nachthemd an und schlotterte vor Kälte. Klar, dass ausgerechnet heute Nacht ein Feuer ausbrechen musste, wenn sie einfach nur schlafen und an nichts denken wollte! Schon wieder drohten Tränen. Barfuß, das Nachthemd hochgerafft, lief sie das rauchige Treppenhaus hinauf.
    Madge kam ihr bereits entgegen, aus der noch heilen Hälfte des Hauses. Sie trug einen Schwung alte Decken.
    »Hier …« Sie drückte sie Viola in die Arme. »Ich geh noch mal rein und hole Schuhe; da sind eine Menge von Vaters alten Schuhen drin, die können wir erst mal anziehen. Geht’s Polo gut?«, fragte sie hustend.
    »Ja, ja. Los, beeil dich, es wird lauter.«
    Das Feuer, das bisher nur dezent vor sich hin geknistert hatte, begann nun zu röhren und zu knattern, als käme es aus dem Schlund der Hölle. Das rote Glühen, verborgen hinter dicken, erstickenden, öligen schwarzen Rauchschwaden, kam immer näher. Die alten Möbel, dreißig Jahre lang mit einem leicht entflammbaren Bohnerwachs gewienert, brannten wie Zunder. Viola stand wartend oben an der Treppe, ihre Augen brannten vom Rauch. In diesem Moment kam eine Hitzewelle aus dem anderen Korridor, die sie beinahe umwarf.
    »Madge!«, kreischte sie panisch, »schnell, komm schnell!«
    »Komm schon – immer mit der Ruhe!«
    Madge kam mit gesenktem Kopf wie ein Rammbock aus dem rauchgeschwängerten Korridor auf der anderen Seite geschossen. Sie hatte sich in eine Decke gewickelt, auf den Armen trug sie einen Haufen Schuhe. Die warf sie nun kurzerhand die Treppe hinunter; wie eine Lawine polterten sie nach unten in die Diele. Die beiden stolperten hinterher, bückten sich unten kurz, um sie aufzuraffen, und rannten dann nach draußen.
    Die Frauen hatten sich mittlerweile zur Straße zurückgezogen, dort, wo das Wäldchen begann. Ängstlich zusammengedrängt standen sie unter den Bäumen und starrten zum nun lichterloh brennenden ersten Stock hinauf; der rote Feuerschein lag flackernd auf ihren Gesichtern. Mr Wither war nach hinten gegangen, um den Wagen aus der Garage zu holen. Sein altes Herz hämmerte wie wild, zitternd vor Kälte nestelte er am Garagenschloss und dachte dabei an die Versicherung.
    »Nicht weinen, Mum.« Madge legte einen wuchtigen Arm um Mrs Wither und tätschelte sie tröstend. »Hätte schlimmer kommen können. Immerhin sind wir noch alle am Leben.« (Dankbares Gemurmel aus den Reihen; Fawcuss, Annie und die Köchin bekreuzigten sich.) »Wir hätten in unseren Betten verbrennen können, wenn« – das sagte sie trotzig, mit stolzgeschwellter Brust – »Polo nicht gewesen wäre!«
    Aber Mrs Wither hatte nicht zugehört.
    »Oh Madgie – unser schönes Heim! Dein Vater und ich, wir waren so stolz darauf … alles verloren.«
    »Ach, wer weiß, Mum. Ich bin sicher, dass die noch was retten können. Komm, weine nicht.«
    Auf einmal waren alle nur noch erschöpft und durchgefroren. Viola rieb ihre brennenden Augen und machte dabei Rußflecke auf ihr Gesicht. Und dann erklang plötzlich von ferne, von Chesterbourne her, das Läuten der Feuerwehr.
    Auf Grassmere war die Party jetzt, um zwei Uhr morgens, noch immer in vollem Gang. Mrs Spring hatte die Gäste eigentlich so schnell, wie es die Höflichkeit

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