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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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kleinen Schätze aufbewahrte. »Komm schon!«
    Annie riss einen Morgenmantel vom Türhaken und folgte der Köchin.
    Im Korridor war alles voller Rauch. Das rote Glühen kam vom einen Ende.
    »Wo ist Renie?« (Fawcuss hieß mit Vornamen Irene.)
    »Die ist noch nicht auf. Schläft wie ein Stein. Geh und hol sie, ich geh runter und schau nach dem Herrn. Mein Gott, Annie, die Rumpelkammer ist ja direkt über Miss Madges Zimmer! Hoffentlich stürzt die Decke nicht ein!«
    Aber selbst Fawcuss war bei dem Geschrei und Gebelle mittlerweile aufgewacht und tauchte aus ihrem Zimmer am Ende des Korridors auf. Als sie den Rauch sah, stieß sie einen einzigen schrillen Schrei aus, dann zog sie den Kopf zurück und packte gefasst ein paar Sachen ein: ihre Bibel, das Foto ihrer Mutter, sieben Penny und einen Halfpenny und ihre neue Sommerkombination. All das stopfte sie in einen kleinen Wäschesack, dann rannte sie barfuß nach unten.
    Man hatte sich mittlerweile in der Eingangsdiele versammelt. Weiße, geschockte, noch ganz verschlafene Gesichter starrten Fawcuss entgegen, als sie mit ihrem Bündel die Treppe herunterkam. Gott sei Dank, da waren ja alle, M’dam, Miss Madge, Mrs Theodore. Der Herr hatte nur einen Pantoffel an und telefonierte. Miss Madge hatte was unterm Arm, ein Bündel, aus dem nun ein intelligentes, pelziges Gesicht hervorkam und sich mit gespitzten Ohren und begeistert funkelnden Augen umsah. Dieser Hund schon wieder. Nicht zu fassen.
    »Die Feuerwehr, ja, die Feuerwehr. Ja … es brennt … Hier … hier, bei uns. The Eagles, bei Sible Pelden, in der Nähe der Wegscheide. Wither ist der Name … ich weiß nicht … es scheint sich auszubreiten …«
    Krach! Oben war etwas zusammengebrochen.
    »Das ist sicher die Decke von der Rumpelkammer. Bloß gut, dass Sie nicht mehr in Ihrem Zimmer waren, Miss Madge!«, rief Annie.
    »Pssst!«, kam es vom Telefon. »Ja, würden Sie bitte? Ja, sofort.«
    Er hängte ein.
    »Ach, Arthur«, sagte Mrs Wither mit bibbernder Stimme, »können wir denn gar nichts mehr …? Nicht mal meine Achatbrosche? Vielleicht sollten wir ja versuchen zu löschen … vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm …«
    Krach! Noch etwas war herabgestürzt. Alle starrten zitternd vor Aufregung zur Treppe. In diesem Moment kam dicker schwarzer Rauch in einer bauchigen Schwade die Treppe herabgequollen, kroch um die Ecke und frech bis in die Diele. Schrecklich und unwirtlich kam er die Wände entlang und breitete sich langsam in der blitzsauberen Diele aus. Alle wichen hustend und würgend zurück; Annie riss die Haustür auf und ließ die reine, kühle Nachtluft herein.
    Polo begann wieder zu bellen. Madge setzte ihn ab und band ihm die Kordel ihres Morgenmantels ans Halsband.
    »Können wir denn gar nichts tun?«
    Mrs Wither weinte. Tränen rannen ihr übers kleine faltige Gesicht, das von zwei dünnen grauen Zöpfchen eingerahmt wurde. »Ach, Arthur – das Haus! Unsere Möbel!«
    In diesem Moment klingelte das Telefon. Alle zuckten zusammen.
    Mr Wither hob mit zitternder Hand ab. »Ja? Was, erst in einer halben Stunde? Es geht nicht früher? Na gut. Ja, es breitet sich immer mehr aus.«
    »Ach, Miss Madge!«, rief Fawcuss aus, die die Eingangstreppe vor dem Haus hinuntergelaufen war, »jetzt kommt’s schon aus Ihrem Fenster!«
    Alle rannten hinaus und starrten zu dem fantastischen Spektakel hinauf. Rote Flammen hüpfen wie Teufel hinter den zugezogenen Vorhängen eines der vorderen Zimmer.
    »Wie ist es bloß ausgebrochen?«, fragte sich Madge, die Polo wieder auf den Arm genommen hatte. »In der alten Rumpelkammer, sagen Sie, Annie?«
    »Ja, Miss Madge. In der alten …«
    »Das müssen die Handwerker gewesen sein«, warf Mr Wither sofort aufgeregt ein, »die müssen dort oben geraucht haben, und die Asche hat den ganzen Tag lang vor sich hingeglüht, bis schließlich das Feuer ausgebrochen ist …«
    Die Handwerker hatten erst heute Vormittag eine undichte Stelle im Dach geflickt, die wahrscheinlich vom heftigen Frühlingsregen verursacht worden war.
    »Ja, das wird’s sein«, sagten alle nickend. Zitternd starrten sie zum Haus hinauf, jeder mit den Gedanken bei seinen kleinen Kostbarkeiten, die nun ein Raub der Flammen wurden.
    »Mum, so kannst du nicht hier rumstehen … du holst dir noch den Tod«, sagte Madge plötzlich. Das Haus brannte, und das nahm ihre Aufmerksamkeit natürlich vollkommen in Anspruch. Trotzdem hatte Madge Angst, dass ihr Vater jeden Moment auf Polo zu sprechen kommen

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