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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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etwas von Bridge verstehen würde, dann hätte sie jetzt eine ganze Anzahl von spritzigen Seitenhieben im entsprechenden Jargon gemacht, aber da es der Erzählerin nie gelungen ist, aus diesem Spiel schlau zu werden, wird sich der geschätzte Leser damit begnügen müssen zu erfahren, dass Mr Wither fünf Shilling gewonnen, Mrs Wither drei Shilling und zwei Penny gewonnen und Madge sechs Shilling und zehn Penny verloren hatte.
    »Viola ist wohl schon zu Bett gegangen«, bemerkte Mrs Wither und schüttelte die Kissen von Violas Sessel auf. The Boy with Wings wurde wieder ins Regal zurückgestellt. »Hat das Licht angelassen, das vergessliche Mädchen. Na, meine Lieben, das war doch mal ein schöner Abend, oder? Limonade? Oder ein Gläschen Port? Es ist ganz schön kühl.«
    Mr Wither wollte Port, an dem er zehn Minuten lang nippte, Mrs Wither schlürfte eiskalte Limonade, und Madge mampfte Kekse in sich hinein, nicht gerade das Gesündeste, was die englische Küche zu bieten hat.
    Die Withers waren mehr oder weniger glücklich. Man würde sich mit Tina versöhnen, die ja nun die Frau eines Mannes mit hundertzwanzigtausend Pfund war, Madge hatte die Fahrt zu und von den Parsons ohne Zwischenfälle bewerkstelligt, der Sommer stand bevor, und sie hatten acht Shilling und zwei Penny beim Bridge gewonnen.
    Daher gingen sie gegen zehn vor elf ganz zufrieden ins Bett. Mr Wither vergaß sogar, sich um sein Geld Sorgen zu machen, während er mit einem Ruck den Vorhang zuzog, damit der Mond nicht zu ihm und Mrs Wither hineinschauen konnte; Madge schlüpfte summend in einen Pyjama mit breiten Streifen und kämmte sich ihr kurz geschnittenes Haar.
    Als Fawcuss, Annie und die Köchin auch nach oben ins Bett gegangen und sämtliche Lichter im Haus gelöscht waren und selbst draußen alles finster war, weil die schmale Mondsichel hinter dem Wäldchen untergegangen war, öffnete sich verstohlen eine Zimmertür, und jemand schlich hinunter, ganz hinunter bis zur Hintertür. Dieser Jemand nestelte leise fluchend am Schloss, dann zog er die Tür auf.
    »Pst«, sagte der Jemand warnend zu einem anderen Wesen, von dem er freudig begrüßt wurde. »Pst.« Das Wesen wurde hochgehoben und ermahnt, ja still zu sein. Es gehorchte und wurde vorsichtig nach oben mitgenommen.
    Nachdem es sich der eine am Fuß des Betts und die andere im Bett selbst gemütlich gemacht hatten, schliefen beide höchst zufrieden ein.
    Drei Stunden verstrichen. Der Mond war längst untergegangen, dennoch lag ein geheimnisvolles Licht über dem schlafenden Land: Sternenschein, das zauberhafteste Licht von allen, als würde die Dunkelheit selbst leuchten. Und wie im letzten Jahr, dem Jahr davor und in allen Jahren seit dem unsagbar romantischen Anbeginn der Zeiten drang aus dem Wäldchen der zauberhaft schöne, wilde Gesang eines Vogels – den niemand hörte.
    Auf einmal begann Polo zu bellen.
    Madge setzte sich verschlafen auf.
    »Still!«, flüsterte sie erregt. »So sei doch still! Aus, Polo, braver Hund!«
    Aber er hörte nicht auf zu bellen. Schnuppernd und heftig zitternd stand er an der Zimmertüre und versuchte die Nase hektisch unter den Türspalt zu zwängen. Madge stieg aus dem Bett und beugte sich über ihn. Irgendwas stimmte da nicht. Sie nahm ihn jetzt schon seit Monaten heimlich mit aufs Zimmer, aber so hatte er sich noch nie angestellt.
    »Was ist los, mein Junge?«
    Oben in einer der Dachkammern setzte sich Annie kerzengerade auf. Dieser Hund … der weckte ja noch alle auf … was war da bloß los …
    Sie starrte schnüffelnd zum Fenster, wo zwischen den Vorhängen ein Spalt Sternenlicht hereinfiel.
    War das nicht … Rauch? Dieser scharfe, beißende Gestank, wo kam der bloß her? Und dieses Geräusch, dieses komische prasselnde Geräusch?
    Annie schnüffelte noch einmal. Der Hund bellte jetzt wie wild. Von unten drangen Geräusche herauf. Ihr Blick richtete sich auf die Tür. Im Türspalt schien etwas zu flackern, ein orangeroter Schein.
    Sie warf die Decke zurück und sprang aus dem Bett.
    »Feuer! Feuer! Feuer!«, kreischte sie.
    Sie stolperte zur Tür, stieß sich dabei den Zeh an (»so bös, dass mir fast schlecht geworden ist«, wie sie später berichtete). In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und die Köchin stand vor ihr.
    »Annie!«, schrie sie, »bist du da? Um Himmels willen, komm! Es brennt. In der alten Rumpelkammer. Nein, komm, dafür ist jetzt keine Zeit …« Annie hatte versucht, ihre Schublade aufzumachen, in der sie ihre

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