Der Sommernachtsball
erlaubte, loswerden wollen, weil sie so schlimme Kopfschmerzen hatte, aber davon wollten ihre jungen Gäste nichts wissen. Hetty, euphorisiert durch die Gewissheit, ihren Kampf gewonnen zu haben, bat um Champagner, und das versetzte die Gäste natürlich erst recht in Feierlaune. Hinzu kam, dass an dem Abend ein besonders gutes Tanzprogramm im Radio lief, und so tanzte man stundenlang, lachte, trank und vergnügte sich. Als LONDON REGIONAL Sendeschluss hatte, fummelte man am Radioapparat herum, bis man auf einen Budapester Sender mit schmissiger Musik stieß, und tanzte weiter. Sogar Mrs Spring, noch unglücklich über Hettys Rebellion, der es vor den Scherereien, die nun wegen der geplatzten Hochzeit auf sie zukamen, grauste, musste zu ihrer Überraschung feststellen, dass ihr die Party zu gefallen begann. Ihre Kopfschmerzen waren weg, und sie war richtig froh, dass der liebe Vic diese Xanthippe noch mal losgeworden war. Die Nächste würde hoffentlich nichts dagegen haben, ihr Enkelkinder zu schenken!
Victor selbst kam gegen zehn mürrisch herunter. Er habe noch arbeiten müssen, meinte er, und nicht eher gekonnt. Sogleich stürzte er sich auf den Champagner. Seiner Nüchternheit tat dies aufgrund seiner Niedergeschlagenheit kaum Abbruch, aber es half ihm, die Zeit totzuschlagen, und hielt ihn vom Denken ab, das war immerhin etwas. Er tanzte mit dem hübschesten Mädchen von allen, und sie brachte ihn ein paarmal sogar zum Lachen, also blieb er, obwohl er längst hatte zu Bett gehen wollen. Gegen ein Uhr morgens stieß die Meute im Morgenzimmer auf ein Buffet voller exotischer und aufregender Köstlichkeiten, und man machte sich wild scherzend und kabbelnd darüber her, die jungen Gesichter rot vom Lachen und vom Herumgehüpfe. Mrs Spring thronte nachsichtig lächelnd in einem funkelnden schwarzen Paillettenkleid in ihrer Mitte. Victor hatte einen Arm um den Hals des hübschesten Mädels geworfen und schlürfte mit ihr aus einem Champagnerglas. Alle hatten ihren Spaß.
Aber gegen zwei meinte jemand, er müsse jetzt wirklich nach Hause, und das war das Stichwort zum allgemeinen Aufbruch. Die jungen Burschen gingen die Mäntel holen, die Mädchen knoteten sich wie Seeleute Tücher um den Kopf, um ihre kostbaren Dauerwellen zu schützen. Alle gingen nach draußen, vors Haus, wo die Automobile standen.
Als beim abschließenden Plaudern und Witzereißen eine Pause entstand, schaute zufällig jemand zur anderen Talseite hinüber und bemerkte das rote Glühen über dem Eichenwäldchen, auch war in diesem Moment von ferne das hektische Läuten der Feuerwehr zu hören.
»Da brennt es irgendwo.«
»Ach das? Das sind doch bloß Schlittenglocken. Die holen um diese Zeit doch immer ihre Schlitten raus. Hast du nicht gewusst, dass es hier in der Gegend eine Schlittenfabrik gibt …«
»Witzbold! Aber hört doch – seht ihr das nicht? Da drüben – da ist es wieder! Es muss ganz nah sein.«
»Das muss von The Eagles kommen«, rief Mrs Spring aus, die mit einer Pelzstola um die Schultern auf der Eingangstreppe stand und zum Himmel schaute. »Ja – schau, Vic, wie hell das da ist! Genau da – das muss The Eagles sein, sonst gibt es dort doch kein Haus.«
»He, wie wär’s, wenn wir mal hinfahren und uns das ansehen?«, schlug jemand vor, der Nervenkitzel liebte. Aber Victor war bereits zur Garage gerannt.
Hinterher behauptete er, es sei der Champagner gewesen, doch jetzt, in diesem Moment, war ihm einfach bloß übel. Das war keine Übertreibung: Er hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Ihr ist nichts passiert, natürlich ist ihr nichts passiert, sagte er sich immer wieder, während er in den Wagen sprang, den Motor anließ, aus der Garage schoss und an den verblüfften Gesichtern der Gäste (»He! Wohin so eilig?«) vorbeiraste. Natürlich ist ihr nichts passiert. Ich mach mich bloß mal wieder zum Narren … aber ich fahr trotzdem einfach mal hin, um zu schauen, ob ich helfen kann, dann kann ich ja wieder umkehren. Vielleicht ist der Brand ja ganz woanders …
Er sauste um eine Kurve und konnte gerade noch bremsen: Nur knapp hatte er das wuchtige Hinterteil eines Feuerwehrwagens verfehlt. Hohe Feuerzungen schossen röhrend und prasselnd in den Himmel und verschlangen das, was einst ein Haus gewesen war. Und über allem stand ein dämonisch schöner, roter Schein. Die Straße war überflutet. Vier kräftige Wassersäulen schwangen sich wie silbrig glänzende Brücken zum Feuer hin und
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