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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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beziehen. Da fällt mir ein …« Er legte Messer und Gabel beiseite, schob zwei Finger in seine Westentasche und zog einen kleinen Stapel rosaroter Pappkärtchen hervor. »Hier sind die Karten, Emmie. Sind heute Morgen gekommen. Ich überlasse sie besser dir.«
    »Ja, Lieber.« Mrs Wither nahm die Karten und zählte sie durch. Überrascht hob sie den Kopf.
    »Aber das sind fünf, Lieber. Man hat uns zu viele geschickt. Wie dumm. Hast du sie bereits bezahlt, Arthur?«
    Mr Wither nickte und wies dann mit einem Kopfrucken auf seine Schwiegertochter, die sich mit leuchtenden Augen und roten Wangen kerzengerade aufrichtete.
    »Für mich? O, vielen, vielen Dank auch, Mr Wither, das ist furchtbar nett! Wie viel bin ich schuldig?«
    »Hä?«, stieß Mr Wither verblüfft hervor. »Was? Unsinn! Jeder geht zum Hospiz-Ball. Ist nur einmal im Jahr.«
    »Ja, aber ich würde gern für mich selbst bezahlen«, meinte Viola nicht ganz wahrheitsgemäß, »ich würde mich wirklich wohler fühlen, wenn ich für mich selbst bezahlen könnte.«
    Stille.
    »Ich meine«, stammelte sie hochrot, »ich meine, es ist natürlich schrecklich nett von Ihnen, aber es ist mir peinlich, wenn Sie so viel Geld für mich ausgeben …«
    Stille. Mrs Wither griff nach der kleinen Tischglocke und läutete langsam. Während Fawcuss die Teller abräumte, hatte Viola Zeit, sich wieder ein wenig zu beruhigen.
    Aber es fiel ihr sehr schwer, denn sie war überglücklich! Auf einmal war alles eitel Sonnenschein, das Speisezimmer erhellte sich, der Gesang der Amseln im Garten klang so lieblich, dass sie am liebsten mit eingestimmt hätte. Der Ball! Sie durfte also auch hingehen! Und ER wollte auch kommen! Endlich konnte sie mal wieder ihre silbernen Tanzschuhe anziehen, sich das Haar legen lassen und sich bei Woolworth ein Paar neue Perlenohrringe kaufen (Keiner würde merken, dass sie von Woolworth stammten. Natürlich wusste man immer, wenn jemand anderer Ohrringe von Woolworth trug, aber was einen selbst betraf, würde es keiner erraten.). Vielleicht würde er ja mit ihr tanzen; einen langsamen Walzer. Oder einen schnellen, aufregenden. Sie sah ausladende weiße Krinolinen vor sich, mit Blumen besteckt, die sich langsam in einem Ballsaal drehten. Wie in diesem Film, den sie neulich im Kino gesehen hatte, über eine österreichische Königin, Kaiserin der Herzen hatte er geheißen. Mit all diesen jungen, adretten Offizieren, die ihre Jacken über einer Schulter trugen und blank geputzte schwarze Reitstiefel anhatten. Sie sah sich selbst in solch einem weißen Kleid einen Walzer mit Victor Spring tanzen und zu seinen Augen emporblicken.
    »Mandelpudding? … Viola? … Mandelpudding?«
    »Nein, danke«, murmelte sie, »ah, ich meine natürlich, ja, bitte.«
    Schweigend aß man den Mandelpudding. Tina hatte ebenfalls einen träumerischen Ausdruck auf dem Gesicht. Es geht bergauf, dachte Viola. Madge hat ihr Hündchen, Tina hat Saxon (das heißt, noch hat sie ihn natürlich nicht, aber ich denke, sie wird ihn schon kriegen), und ich habe vorhin mit SEINER Cousine geredet, und sie hat gesagt, ich soll doch mal zu einer Party kommen (vielleicht werd’ ich ihm ja auf dem Ball vorgestellt, und er macht mich mit seiner Mutter bekannt, dann kann sie mich selbst einladen, und dann wäre es wirklich in Ordnung). Ich werde zum Ball gehen! Zum Ball! Zum Ball!
    Saxon wird uns hinfahren, dachte Tina. Ob er wohl tanzen kann? Und ob er gern tanzt? Vielleicht geht er ja ab und zu mit einem Mädchen zu einem dieser Kurtänze in Chesterbourne, die werden doch ständig in der Zeitung angekündigt … Ich weiß absolut gar nichts über sein Leben, aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass ich ihn kenne. Ob er ein Mädchen hat? Dieser Gedanke war ihr bis jetzt noch gar nicht gekommen, und selbst in ihrem zufriedenen, verträumten Zustand war sie bestürzt darüber, wie sehr er sie erschreckte.
    Nach der Mandelspeise wurde der Käse serviert. Als auch dieser Gang abgehakt war, stand es den drei verliebten Damen frei zu gehen, wohin immer sie wollten, und dort nach Herzenslust zu träumen; Tina schlenderte mit einem Roman unterm Arm langsam in den Garten hinaus, Madge hastete fort, um sich zu vergewissern, dass Polo das Mittagsfresschen auch gut bekommen war, und Viola wollte davoneilen, um eine Bestandsaufnahme ihrer Garderobe vorzunehmen, wurde aber von Mrs Wither sanft aufgehalten.
    »Viola, Liebe«, begann sie mit beängstigend freundlicher Stimme, »ich möchte kurz mit dir reden.

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