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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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Gehen wir doch einen Moment ins Morgenzimmer, ja?«
    Lieber Gott, lass nicht zu, dass sie mich doch nicht zum Ball mitnehmen. Danke, Amen.
    »Klar, Mrs Wither. Ich meine, ja, natürlich.«
    Nachdem die Tür des Morgenzimmers sich auf geheimnisvolle Weise hinter Mrs Wither geschlossen hatte, nahm diese auf einem Sessel Platz und tätschelte auffordernd einen anderen, ihr gegenüber. Viola setzte sich mit bangen Vorahnungen.
    Es schien auf einmal, als wären sie von der Außenwelt abgeschnitten. Nur das langsame Ticken einer alten Standuhr in einer Ecke durchbrach die Stille.
    »Also, Liebe, Mr Wither ist natürlich nicht böse auf dich, wegen der Sache heute Morgen.« Mrs Wither riss ihre blassen Augen weit auf, was Viola davon überzeugte, dass Mr Wither in Wahrheit sehr böse war. »Aber der Besuch deiner Tante hat ihn sehr irritiert. Einfach so auf einem Fahrrad aufzutauchen, ohne sich irgendwie anzukündigen. Und du warst natürlich mal wieder nicht da, wie so oft – oh, ich weiß, dass du nichts Böses tust, wenn du einfach so verschwindest –, aber es muss deine Tante sicher befremdet haben, dass du nicht da warst, um sie zu begrüßen. Und dann gab es noch etwas, das Mr Wither sehr irritiert hat. Deine Tante hatte beim Wegfahren einen kleinen Unfall, sie stieß mit dem Reifen an einen Stein und wäre fast vom Rad gefallen, sie konnte sich gerade noch fangen, indem sie absprang. Mr Wither hat zufällig am Fenster gestanden und es gesehen. Er war so erschrocken, beinahe wäre er hinausgelaufen, um zu sehen, ob sie Hilfe braucht. Ich möchte dich daher bitten, deiner Tante auszurichten, sie möge sich das nächste Mal doch bitte vorher ankündigen, damit wir vorbereitet sind. Wir haben natürlich nichts dagegen, dass deine Freunde zu Besuch kommen, Liebe. Sie sind uns willkommen, schon um deinetwillen. Aber sie möchten sich doch bitte vorher ankündigen.«
    Die Tür ging auf, und Fawcuss streckte den Kopf herein.
    »Was gibt es, Fawcuss?«, erkundigte sich Mrs Wither mit unerschütterlicher Geduld.
    »Mrs Theodore wird am Telefon verlangt, Madam. Ein Anruf aus London.«
    »Ach, das ist sicher Shirley! – Sie entschuldigen, Mrs Wither.« Viola sprang auf und rannte davon.
    »Hallo, Darling«, Shirleys lebhafte, selbstsichere Stimme kam so klar aus der Leitung, als ob sie neben Viola stünde. »Na, wie läuft’s bei den Klopsen?«
    »Och, ganz gut«, antwortete Viola strahlend, »Mann, bin ich froh, dass du anrufst. Gibt es einen besonderen Grund oder …«
    »Hör zu, Darling – wimmelt es in der Gruft gerade von Klopsen oder bist du allein?«
    »Nein, ich meine, ich bin allein.«
    »Gut. Dann schau doch rasch, dass sich niemand die Ohren an der Tür plattdrückt.«
    »Geht gar nicht. Das Telefon ist in der Diele.«
    »Praktisch. Da kann man sich nicht zu einem liederlichen Wochenende verabreden, ohne dass es jeder mitkriegt. Hör zu, Darling, kannst du morgen nach London kommen und mich vor dem Lyons Corner House in der Oxford Street treffen? Am Haupteingang um elf. Ich hab den Tag frei, ist das nicht nett vom alten Totenkopf?«
    »Ach, Shirley, das wäre ja toll!«
    »Also, worauf wartest du?«
    »Ich muss natürlich fragen.«
    »Großer Gott. Na, dann los, ich warte so lange. Sag ihnen, ich wär’ ’ne Puffmutter und auf der Suche nach Frischfleisch.«
    Viola rannte zu Mrs Wither zurück, die noch genauso dasaß, wie Viola sie zurückgelassen hatte, allerdings mit einem leicht beleidigten Gesichtsausdruck.
    »Meine Güte, Mrs Wither, tut mir schrecklich leid, dass ich einfach so weggelaufen bin, aber es ist Shirley. Meine Freundin Shirley Davis, Sie wissen schon. Sie hat morgen frei und möchte sich in London mit mir treffen. Darf ich gehen? Bitte? Ich könnte den ersten Bus nehmen und zum Abendessen wieder zurück sein.«
    »Wie du willst, Liebe«, entgegnete Mrs Wither missbilligend. »Du bist dein eigener Herr. Aber kommt das nicht ein wenig plötzlich?«
    »Ja, das ist ja so toll! Eine echte Überraschung. Ich darf also gehen, Mrs Wither?«
    »Selbstverständlich, Liebe. Und ich denke, du solltest mich Mutter nennen. Ich halte es für passender.«
    »Ja, Mrs Wither … Mutter. Vielen, vielen Dank auch.«
    Sie flitzte davon. Mrs Wither seufzte. So gewöhnlich. So vergnügungssüchtig, so extravagant. Nicht zufrieden mit dem Leben hier. Benimmt sich nicht, wie es sich für eine Witwe gehört. Ach ja, das Leben ist ein Kreuz. Mrs Wither strich seufzend ein Deckchen glatt.
    »Alles klar, Shirley, ich

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