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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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zu Gast sein wird, und ein junger Mann mit beträchtlichem Vermögen, aber höchst beschränktem Vokabular. Und ich natürlich.«
    »Wie schön«, murmelte Viola. Dann fügte sie, zu sich kommend, hinzu: »Aber es tut mir leid, dass Sie nicht gern hingehen.« Freundlich fuhr sie fort: »Aber machen Sie sich nichts draus, so schlimm wird’s wahrscheinlich gar nicht. Mir graust auch manchmal davor, irgendwo hinzugehen, aber wenn ich dann dort bin, gefällt’s mir doch.«
    Sie war in Hettys Gegenwart nicht länger befangen, denn Victor Springs Cousine war nett und freundlich. Außerdem hatten sie sich gemeinsam das Lachen verkneifen müssen, als der Einsiedler das mit den löchrigen Strümpfen erwähnte. Viola war nun Hetty zugetan, wie es immer der Fall ist, wenn man mit einem Fremden einen Scherz teilt. Hetty überlegte, ob sie Viola fragen sollte, wie es sich auf The Eagles lebte, entschied sich aber dagegen. Denn so viel war klar: Viola war zwar unzweifelhaft charmant, aber eben auch ein wenig beschränkt. Wahrscheinlich fand sie das Leben auf The Eagles fürchterlich langweilig und war unfähig, die unterschwelligen, Tschechowschen Strömungen zu erspüren, die sich träge durch die stillen, dunklen Räume wälzten. Das Leben, das wir führen, würde sie wahrscheinlich lieben, überlegte Hetty, auch wenn es so subtil ist wie ein Schweinebraten, nur viel weniger nützlich. Nicht, dass ich mich beklagen kann. Ich hab mein eigenes Geld, ein luxuriöses, geschmackvolles Zuhause und mehr Klamotten, als mir lieb sind. Alles, was mir fehlt, ist Freiheit und ein Ziel, auf das ich hinarbeiten kann, und das Gefühl, dass mein Leben lebenswert ist. Nein, ich kann mich glücklich schätzen.
    »War die Party schön, die es neulich bei euch gab?«, fragte Viola sehnsüchtig.
    »Ach, nicht ganz so übel wie unsere sonstigen Partys«, sagte Hetty. Dann fiel ihr Blick auf Viola, und ihre Vorstellungskraft machte einen Quantensprung, direkt hinein in das nach Abwechslung und Vergnügen lechzende Gemüt ihres Gegenübers. Sie erkannte, wie bezaubernd der Gedanke an eine solche Party Viola erscheinen musste, wie gern sie dort gewesen wäre. In einem völlig anderen Ton fuhr Hetty fort:
    »Doch, es war ganz nett, ehrlich, es war ein so schöner Abend, und wir sind alle mit den Booten rausgefahren. Mein Cousin hat sein Ruderboot rausgeholt und auch das Motorboot und die kleine Segeljacht (sie heißt Marlene ), und wir haben auf dem Fluss gepicknickt.« Ihre Worte sorgfältig wählend und den Blick auf ihr Gegenüber gerichtet fuhr sie langsam fort: »Der Himmel war erst golden, dann violett, und Fliederduft lag in der Luft …«
    »Und gab’s auch Cocktails?«, unterbrach Viola.
    »Ja«, sagte Hetty lachend.
    »Und was gab es zu essen?«
    »Lachsmayonnaise, Hähnchenkeulen, Suppe und verschiedene Eiscremes«, flunkerte Hetty. Was hatte es überhaupt zu essen gegeben? Sie hatte keine Ahnung. Alles, was sie in ihrem geistlosen Luxusalltag aß, war exzellent, schmeckte für sie aber immer gleich. Essen wurde nur dann interessant, wenn es als Symbol diente, wenn es von der Melodie anspruchsvoller Konversation untermalt war oder von tapferen Männern oder wahren Poeten, die von der Hand in den Mund lebten, eingenommen wurde.
    »Ach, wie schön«, seufzte Viola.
    »Sie müssen mal zu einer unserer Partys kommen«, schlug Hetty spontan vor.
    Viola errötete. »Ich? Das wäre ja fantastisch! Aber was … ich meine … was würde Ihre Tante sagen? Hätte sie nichts dagegen?«
    »Ach, meine Tante wäre hocherfreut«, behauptete Hetty entschlossen. Sie wusste, dass sie zu weit gegangen war. Mrs Spring lud selten Leute zu sich ein, und wenn, dann nur solche, die reich, normal und konventionell waren. Viola war nichts von alldem; Mrs Spring sähe weder Sinn noch Nutzen darin, sie einzuladen.
    »Da bin ich mir sicher«, fügte Hetty hinzu.
    Das klang selbst in ihren Ohren wenig überzeugend; die Worte blieben in der lauen Frühlingsluft hängen, wo sie zerfaserten und sich auflösten.
    »Das wäre wirklich nett, danke«, murmelte Viola. Dabei dachte sie: Ich hab nichts Richtiges anzuziehen.
    Hetty erhob sich verlegen und klopfte ihren Rock ab. Viola hob derweil Hettys Buch auf und las den Titel.
    » GESAMMELTE GEDICHTE VON ROBERT FROST . Gedichte? Ach du meine Güte. Frost. Was für ein komischer Name.«
    »Danke«, sagte Hetty ein wenig steif und nahm das Buch an sich. Wenn sie doch nur jemanden fände, der das Lesen von Gedichten nicht für das

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