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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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vorhanden war, konnte nichts wirklich Schlimmes passieren. Der Tod war heute Abend weit weg von Mr Wither. Es gefiel ihm auf dem Ball; was es wohl zu essen gab?
    » Müssen wir denn zum Dinner bleiben?«, quengelte Phyllis, während sie von Victor zum Dinner-Tanz geführt wurde. »Wir sind doch schon lange genug hier. Mir kommt’s wie Stunden vor.«
    »Och, mir gefällt’s ganz gut.« Er grinste sie frech an, denn er wusste ganz genau, warum sie so unleidlich war.
    Sie musste lachen, war aber trotzdem verärgert und gelangweilt.
    »Ah, na, wenn das so ist … Ich möchte den großen Frauenhelden nicht aus dem Rhythmus bringen. Ich werde noch genau eine halbe Stunde lang bleiben, dann lasse ich mich von Andrews oder von Bill Courtney heimbringen.« Bill war ein alter Bekannter der Springs und lebte außerhalb von Chesterbourne.
    »Wie du willst.« Es war ihm egal, was Phyllis tat. Noch waren sie nicht verlobt. Und er konnte es nicht ausstehen, wenn sie ihn mit Beschlag zu belegen versuchte. Da hätte sie ihm gleich ein Schild mit der Aufschrift »Reserviert« umhängen können.
    Was die kleine Witwe anging, die musste wissen, worauf sie sich einließ. Eine tolle Masche, die sie da draufhatte, die war ihm noch nie untergekommen. Bei dem jungen Wither war das natürlich Perlen vor die Säue gewesen: der hatte bestimmt keinen Sinn dafür gehabt.
    Viola wurde am Ende von dem unsympathischen Apothekersohn zu Tisch geführt. Verträumt saß sie da, während er ihr von einem höchst faszinierenden Vorhaben der Regierung erzählte, den Gestank von Abwässern zu reduzieren. Man wolle die Gase nutzen, um damit Belüftungsanlagen zu betreiben. Jedes Quäntchen Gas würde genutzt werden, erzählte der Apothekersohn mit glühenden Wangen. Man nannte das »Eigenverbrauchsprinzip« oder so ähnlich.
    Viola schaute ihn an und nickte, ohne auch nur ein Wort zu verstehen.
    Tina lauschte aufmerksam Giles Bellamys nicht uninteressantem Monolog. Dabei sehnte sie sich insgeheim danach, den heißen, lauten Ballsaal zu verlassen und hinauszugehen in die laue Sommernacht, wo Saxon mit dem Wagen auf sie wartete und sie heimfahren würde, über schmale dunkle Straßen, die nach Tau dufteten. Wie er den Abend wohl verbrachte? Um nach Hause zur Wegscheide zu fahren und dann wieder zurück zu den Assembly Rooms, dafür war wohl kaum Zeit; außerdem würde ihr Vater eine derartige Benzinverschwendung verbieten. Wahrscheinlich war er allein ins Kino gegangen. Ihre Fantasie streikte, wenn es darum ging, sich einen dunklen Kinosaal vorzustellen und ein Mädchen, das ihren Kopf auf seine Schulter legte.
    Die Beleuchtung und all die lachenden roten Gesichter verursachten ihr Kopfschmerzen, und die angenehme Stimme von Giles Bellamy, der ihr eine amüsante Geschichte aus Wengen erzählte, peinigte ihre Nerven wie ein leiser, aber hartnäckiger Schmerz. Sie verglich ihn mit Saxon und fand ihn unmännlich und fade. Zum ersten Mal bekam sie zu spüren, welchen Nachteil es hatte, sich in einen Mann aus dem einfachen Volk zu verlieben, noch dazu einen Bediensteten. Er hatte sie zum Ball gefahren; dann war er in sein Leben zurückgekehrt, über das sie nichts wusste. Und wenn er wieder auftauchte, um sie nach Hause zu fahren, würde sie sich vergeblich fragen, wie er die vergangenen Stunden verbracht hatte. Alle Männer, die sie kannte, waren Gentlemen; sie wusste oder konnte sich zumindest vorstellen, womit sie sich in ihrer freien Zeit beschäftigten. Aber von Männern wie Saxon, die nicht der feinen Gesellschaft angehörten, hatte sie keine Ahnung. Ihre Stimmung sank.
    Tatsächlich war Saxon in ein Wirtshaus gegangen und spielte dort ganz unschuldig Snooker.
    »Und wie gefällt es Hugh in Indien?«, erkundigte sich Madge bei Colonel Phillips. Jetzt, da Polo zu Hause auf sie wartete, gut aufgehoben in seiner Hundehütte, jetzt da sie wusste, wie gut er wuchs und gedieh und wie er immer braver wurde, war alles so viel besser als früher. Da machte es ihr nichts aus, Colonel Phillips ganz unbekümmert nach Hugh zu fragen und zu erfahren, dass es ihm, abgesehen von den Kanaken und der Hitze, prächtig ging. Er habe sein Tennis, sein Schwimmen, Kricket und Polo, und wenn alles gut ging, so hatte er in seinem letzten Brief geschrieben, dann würde er mit seiner Einheit vielleicht sogar noch etwas von dem Waziristan-Zirkus mitkriegen. An dieser Stelle vertraute Mrs Colonel Phillips Madge an, sie hoffe, Großmutter geworden zu sein, wenn der nächste Brief

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