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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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außer den Wunsch, sich ein neues Kleid zu kaufen – das allerdings nicht mehr als vier Shilling kosten durfte.
    Das Wetter blieb schön. Mr Withers Geld, erschöpft von den Kämpfen des Frühlings, lag sozusagen keuchend am Boden und erholte sich ein wenig. Der Major-General Breis-Cumwitt pflegte es mit der liebevollen Fürsorge einer Tante, Mr Wither wie eine hingebungsvolle Mutter. Zusammen konnten sie nicht mehr tun, als aufpassen und beten. Und tatsächlich: Ihre Gebete wurden erhört. Das Geld richtete sich auf und atmete durch; schon bald war sein Puls wieder normal.
    So brach Mr Wither an diesem Morgen leichten Herzens zu seinem routinemäßigen Verdauungsspaziergang durch das kleine Wäldchen im Tal auf, in der Tasche Major-General Breis-Cumwitts beruhigenden Brief. Es war ein schöner Tag, dem Geld ging’s besser, die Vorbereitungen für die Gartenparty liefen reibungslos. Mit einem Gefühl, das dem Glück nicht ganz unähnlich war, atmete Mr Wither die würzige Waldluft ein. Natürlich konnte es sich jederzeit bewölken, das Geld konnte einen Rückfall erleiden, irgendeine Katastrophe konnte die Gartenparty verhindern, aber für den Moment war alles gut.
    Der Einsiedler war ebenfalls glücklich. Aber das war kein Kunststück, denn das war er immer. Er hatte keinerlei Hemmungen und ein Selbstwertgefühl wie ein Rhinozeros, das sich durch nichts erschüttern ließ, egal was jemand sagte oder tat. Kein Wunder also, dass er glücklich war.
    Er saß vor seiner Hütte und arbeitete an BÄRENMUTTER MIT JUNGEN . Gerade hatte er eine höchst befriedigende Stunde damit zugebracht, mit einer Schleuder auf Vögel zu zielen, und ein fettes Täubchen erwischt, das nun, zusammen mit vier großen Kartoffeln, die er aus Colonel Phillips’ Gemüsegarten stibitzt hatte, in einem Topf über dem Lagerfeuer vor sich hin köchelte. Den gestrigen Abend, als Saxon in Chesterbourne war, hatte er mit Mrs Caker verbracht. Und jetzt arbeitete er an BÄRENMUTTER MIT JUNGEN , sang dabei laut ein Kirchenlied vor sich hin und überlegte, was er sich wohl zum Abendessen machen würde.
    Er blickte auf.
    »Moin, Chef«, rief er freundlich, aber respektvoll. »Schöner Morjen, wa’?«
    Mr Wither konzentrierte sich geflissentlich auf seinen Verdauungsspaziergang und marschierte weiter.
    »Schöner Tag, sach ich«, wiederholte der Einsiedler, etwas lauter.
    Mr Wither ging ein wenig schneller und beachtete ihn nicht.
    » SCHÖNER TACH , SACH ICH !«, brüllte der Einsiedler, dass es durch den Wald schallte: » ICH HAB JESACHT , SCHÖNER TAG , WA ’?«, und leiser: »Chef.«
    Mr Wither fuhr heftig zusammen und schaute sich verwirrt um, als wisse er nicht, woher diese Stimme kam. Dann blickte er wie zufällig in die Richtung des Einsiedlers und nickte hochmütig.
    »Frische Luft schnappen, wa’?«, fuhr der Einsiedler leutselig fort. »Tut richtich jut, wa’? Ah, wenn ma’ mal in unserem Alter iss, Chef, dann jibt et bloß eins.«
    Mr Wither konnte es nicht über sich bringen, mit dem Einsiedler zu reden, setzte aber eine herablassend-interessierte Miene auf. Alles war besser, als dieses Gebrüll ertragen zu müssen. Gebrüll, besonders von halb Verrückten, verstörte Mr Wither mehr als früher. Mrs Wither hatte recht, wenn sie sagte, er vertrage Aufregungen nicht mehr so gut.
    »’ne vernüftje Lebensweise, wa’?« Der Einsiedler nickte ernsthaft. »Viel frische Luft, jede Menge Schlaf, keen Alkohol, also, ich meine, nich’ mehr so viel und keen du-weißt-schon-was, außer man kriegt noch eenen hoch.«
    Mr Withers Blick war starr auf einen Baum hinter der Schulter des Einsiedlers gerichtet. Sein Kopf zuckte, was als Nicken verstanden werden konnte oder auch nicht.
    »So wird man hundert Jahre alt«, schloss der Einsiedler. Er hielt BÄRENMUTTER MIT JUNGEN in die Höhe. »Wird schon, wa’?«
    BÄRENMUTTER MIT JUNGEN war nach wie vor als solches nicht zu erkennen, doch sah der Stock jetzt nicht mehr aus wie ein Ast mit einem dicken Klumpen am Ende. Es sollte etwas werden, aber was, war unklar.
    Wieder zuckte Mr Wither zusammen. Er hatte keine Ahnung, was der Einsiedler meinte.
    »Ich hab jedacht, ich überlass ihn Ihnen für fünfundzwanzig«, fuhr der Einsiedler fort.
    »Fünfundzwanzig was?« Mr Wither hatte abrupt seine Stimme wiedergefunden. »Was soll das heißen?«
    »Na, Piepen.«
    »Wovon reden Sie? Wofür? Was wollen Sie mir für fünfundzwanzig Piepen überlassen? Was soll der Unsinn?«, stieß Mr Wither wild hervor.

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